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während die Araber zusammengepfercht in Dörfern und Flüchtlingslagern mit durchweg beschissener Infrastruktur dahinvegetieren.
Gaza-Stadt?
Kaum mehr als ein zur Metropole aufgeblasenes Elendsviertel.
»Ja, ja.« Marcus gähnt. »Sie hatten angekündigt, auch da ein bisschen Kosmetik zu betreiben.«
Arik grinst.
»Nehmen Sie doch was von der Orangenmarmelade, Joel.«
Marcus grinst zurück. Bis hierhin das übliche Geplänkel. Andeutungen, Sticheleien, um den anderen aus der Reserve zu locken.
»Also schön, wie viele Siedlungen wollen Sie in Gaza opfern?«
»Alle.«
Marcus friert ein, der Löffel schwebt über dem Marmeladenglas.
»Die völlige Entkopplung«, nickt Arik. »Wir geben den Gazastreifen auf.«
Dass es Unsummen kostet, die paar Siedler zu schützen, sagt er nicht. Es würde das Thema nur banalisieren und den Abzugsgegnern Munition liefern, außerdem ist es nicht der Grund.
Marcus findet Sprache und Bewegungsfähigkeit wieder.
»Dafür werden Sie im Likud nie eine Mehrheit bekommen.«
»Abwarten.«
»Sie wollen ganz Gaza –«
»Ja.«
Der Journalist wirkt ratlos. Man kann ihm förmlich dabei zusehen, wie er versucht, sich auf all das einen Reim zu machen.
»Warum tun Sie das, Arik?«
»Warum würden Sie es denn tun?«
»Falsche Frage. Ich bin nur ein Zeitungsfritze. Auf mich üben die Amerikaner keinen Druck aus.«
»Es geht nicht um amerikanischen Druck.«
»Ich glaube schon. Sie wollen Ihre Handlungshoheit zurückgewinnen, bevor Bibi behaupten kann, Sie seien eine Marionette George W. Bushs.«
Auch ein Grund, stimmt, und hier gleich noch einer: Der einseitige Abzug dürfte der Weltgemeinschaft vorübergehend den Wind aus den Segeln nehmen. Alles richtig, und trotzdem –
»Noch mal«, sagt Arik. »Warum würden Sie es tun?«
Da muss Marcus nicht lange überlegen. »Weil es so lange keinen Frieden gibt, wie wir die Besatzung aufrechterhalten.«
»Sehen Sie.«
»Aber wäre eine bilaterale Lösung nicht überzeugender?«
»Mit wem?«
Marcus schweigt.
»Arafat ist kein Verhandlungspartner mehr«, sagt Arik. »Selbst eisenharte Friedensaktivisten meinen inzwischen, dass er jedes Vertrauen verspielt hat. Abbas war die Option meiner Wahl. Pech gehabt. Arafat wird niemanden neben sich dulden, solange er lebt, und vielleicht wird der Scheißkerl ja hundert Jahre alt.«
»Möglich, nachdem Sie Bush versprochen haben, ihn am Leben zu lassen.«
»Glauben Sie mir, wenn ich ein Versprechen bedaure, dann dieses. Wie auch immer, worauf oder auf wen soll ich warten? Wir müssen die Initiative ergreifen. Gaza wird geräumt, im Westjordanland lassen wir ein paar Versuchsballons steigen –«
»Sie wären bereit, auch das Jordantal zu räumen?«
»Nicht die großen Siedlungsblöcke.«
»Aber alles andere.«
»Ich bin zu vielem bereit. Warten wir Gaza ab.«
Marcus schaut ihn mit prüfendem Blick an.
»Wissen Sie, was mich irritiert? Bis jetzt haben Sie nur pragmatische Gründe genannt.«
»Finden Sie?«
»Wie wär’s mit bloßer Friedensbereitschaft?«
»Es gibt nichts Pragmatischeres als Frieden.«
»Hm.«
»Er garantiert Sicherheit und Wohlstand«, sagt Arik. »Wir müssen uns ja nicht schluchzend in die Arme fallen, es reicht schon, wenn wir aufhören, einander umzubringen.«
»Nicht, dass Sie mich falsch verstehen«, sagt Marcus. »Falls Sie das wirklich durchziehen, leisten Sie den wichtigsten Beitrag zum Frieden seit Oslo – sofern man es Sie durchziehen lässt.«
»Ich bin sicher, die Menschen werden den Abkopplungsplan tragen.«
»Und Sie werden alte Freunde verlieren.«
»Und neue gewinnen.«
Arik lächelt. Auch Marcus lächelt.
»Sie wirken entspannt.«
»Ich bin entspannt.«
»Wie leicht fällt Ihnen diese Entscheidung?«
Jahrzehnte spulen sich im Schnelldurchlauf vor Ariks innerem Auge ab. Er sieht sich mit Siedlerführern über Karten gebeugt, bei ihnen zu Hause, auf Familienfesten. Sieht die Hoffnungen und Träume in ihren Augen, das in ihn gesetzte Vertrauen. Denkt an Jehuda Kahn, an Avi Farhan, an all die Freunde, die er verraten wird, ob sie nun den Messias herbeisehnen oder einfach nur ein bisschen Glück.
»Es ist die schwerste meines Lebens«, sagt er.
»Habt ihr das gelesen? Habt ihr das gelesen?«
Nein, haben sie noch nicht, weil Phoebe und Jehuda zwar einen Computer besitzen, jedoch selten ins Netz gehen. Sie lesen Haaretz, Ma’ariw und Jedi’ot Acharonot in der gedruckten Ausgabe, aber natürlich hat Marcus sein Interview mit dem
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