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Premier gleich online gestellt.
Es macht die Runde wie ein Lauffeuer.
Ariel Scharon gibt Gaza auf.
»Er will euch rauswerfen!«
Yael hastet mit dem Handy am Ohr durch die Flure der Neurologiedes Hadassah Hospitals. Die Morgenvisite und zwei Herzkatheteruntersuchungen liegen hinter ihr, jetzt muss sie zur Patientenbesprechung mit dem Oberarzt. Die Arbeit auf der Station hält sie dermaßen auf Trab, dass sie nicht mal dazu kommt, ihren Tee auszutrinken, einsam steht er auf ihrem Schreibtisch und verteilt seine Wärme an die Umgebungsluft, und Zeit, vor dem Computer rumzuhängen und Nachrichten zu checken, hat sie schon gar nicht.
Aber die Patienten haben Zeit.
Ohne Ende. Mehr als ihnen lieb ist.
Sie wissen immer alles als Erste und nehmen jede Gelegenheit wahr, die Ärzte in Gespräche zu verwickeln, so hat Yael davon erfahren.
Und sie ist aufgewühlt.
Zittert vor Empörung.
Arik, der alte Bastard.
»Der ist doch nicht ganz dicht!«, schimpft sie. »Ich meine, was soll das denn? Was hat das mit Sicherheit zu tun, er gibt ein ganzes Stück Land einfach so weg, über das man verhandeln müsste.«
Jehuda am anderen Ende der Leitung ist längere Zeit stumm geblieben, jetzt sagt er: »Mach dir keine Sorgen.«
Wieso ich?, denkt Yael. Du und Phoebe, ihr müsstet euch sorgen.
Doch tatsächlich macht sie sich schreckliche Sorgen.
»Was wird denn aus euch?«
»Er blufft.«
»Warum sollte er bluffen?«
»Um die PA aus der Reserve zu locken. Weißt du nicht mehr? Er hat schon mal von Abkopplung gesprochen.«
Stimmt, vergangenes Jahr auf der Herzlija-Konferenz über die Nationale Sicherheit. Als er fast ausgezählt am Boden lag, im Stundentakt Bomben hochgingen, der Immobilienmarkt kollabierte, die Arbeitslosenzahlen durch die Decke schossen, kein Mensch noch nach Israel reiste aus Angst, in mehreren Teilen zurückzukehren.
Als ihn die Staatsanwaltschaft so richtig in der Mangel hatte.
Da war er sehr geheimnisvoll mit der Ankündigung aus der Ecke gekommen, einseitige Maßnahmen zur Wiederherstellung der Sicherheit zu verkünden. Und tatsächlich rückte das Korruptionsthema vorübergehend in den Hintergrund, weil alle auf den Tag hin fieberten, an dem er das Kaninchen aus dem Zylinder zaubern würde. Was er dann sagte, war im Wesentlichen, die Verringerung der Spannungen mit den Palästinensern mache den »äußerst schwierigen Schritt der Umsiedlung einiger Ortschaften notwendig – ich weiß, Sie möchten Namen hören,aber das sollten wir für später aufheben«, womit er das Kaninchen zwar nicht aus dem Hut gezogen, die Öffentlichkeit aber schon mal die Ohren hatte sehen lassen.
Später ist offenbar heute.
»Jetzt hat er Namen genannt«, sagt Yael und weicht einem Rollbett aus, das Pfleger aus dem Fahrstuhl in den Flur schieben. Vor ihr öffnet sich ein Foyer. An kleinen Tischen sitzen Menschen in Morgenmänteln, verbunden mit Tropfgestellen, unterhalten sich mit Angehörigen, lesen oder starren vor sich hin. »Er sagt, er wird ganz Gaza räumen.«
Euer Zuhause.
Mein Zuhause.
Der Ort, in dem ich groß geworden bin.
»Er will der PA lediglich zeigen, dass er auch ohne ihren guten Willen handlungsfähig ist«, sagt Jehuda. Klingt nicht, als schenke er seinen eigenen Worten Glauben, vielleicht ist aber auch die suboptimale Verbindung schuld.
»Und dann?«
»Nichts dann. Das Ganze ist ein Manöver, um sie an den Verhandlungstisch zurückzubringen.«
»Geh ins Internet. Lies das Interview.«
»Er würde niemals den Gazastreifen räumen, Kind.«
»Ich halte Skepsis für angebracht.«
»Es kann nur ein Bluff sein. Er selbst war es, der uns nach Elei Sinai –«
»Er hat euch auch nach Jamit geholt.«
»Das war was anderes.«
»Inwiefern?«
»Ach, Yael.«
»Ich weiß, Frieden mit Ägypten, gaaanz was anderes!« Sie rollt die Augen. »Scheiß drauf, ob es was anderes war, er hat einmal eure Existenz aufs Spiel gesetzt, er wird es ein weiteres Mal tun. Und diesmal bekommt er nichts dafür. Keinen Friedensvertrag. Gar nichts! Die Dschihadisten werden vor Freude Löcher in die Luft ballern und behaupten, er hätte den Schwanz eingekniffen.«
Und außerdem, denkt sie, ist es mir so was von schnurzegal, was er sich dabei denkt, sie verspürt keinerlei Lust, sich mit Ariks Überlegungen auseinanderzusetzen, und wenn sie den verdammten Weltfrieden bedeuten.
Scharon will ihrer Familie wehtun.
Nur daran kann sie denken.
So wie er ihr immer wehgetan hat.
Gaza, Elei Sinai
Jehuda beendet das Gespräch
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