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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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und hinsichtlich der Brisanz des Anlasses »Wir bitten Sie, den Inhalt dieser Einladung und den Zeitpunkt der Versammlung geheim zu halten«.
    Was, wie man sieht, fantastisch geklappt hat. Tel Aviv eben. So wie sich Nachrichten in dieser Stadt ausbreiten, ist ein Lauffeuer dagegen ein Schwelbrand.
    Jehuda erspäht ein Grüppchen Fußgänger, die sich dem rappelvollen Platz nähern.
    »Schau mal. Da kommen Ben und Leah.«
    »Wo?« Rachel stellt sich auf die Zehenspitzen, beginnt zu winken. »Ben! Hier! Wir sind hier!«
    Leahs Namen ruft sie nicht.
    Eigentlich nie. Rachel hält nicht sonderlich viel von dem Mädchen. Sie bemüht sich nach Kräften, nett zu ihr zu sein, aber um es mal so auszudrücken, zu ihrer Umgebungsluft ist sie genauso nett.
    »Ben! Ben!«
    Benjamin erkennt man schon von Weitem. Es ist seine Art zu gehen. Wann immer sein linker Fuß den Boden berührt, scheint er kurzzeitig dort anzuwachsen. Beinahe gewaltsam muss er ihn losreißen, wenigstens sieht es so aus. Sein ganzer Körper gerät dabei in eine schraubenartige Drehung, armer Ben, aber er lässt sich nicht unterkriegen. Geht bei jeder Gelegenheit, lässt sich von dem elenden Knochensack, den sein Geist bewohnt, keine Vorschriften machen. Neben ihm schreitet Leah einher, notorische Missbilligung im Blick, das Haar züchtig unter einem blauweißen Tuch verhüllt.
    »Die kleine Fanatikerin«, zischt Rachel, bevor Leah in Hörweite gerät.
    »Nicht jetzt, Mutter.«
    »Ben hätte niemals in diese Familie einheiraten dürfen.«
    Begrüßung, Umarmung, geheuchelte Herzlichkeit.

    Um sie herum wird es enger.
    »Ich kann immer noch nicht glauben –«, versucht es Rachel mit einem zweifelgeschwängerten Halbsatz bei Benjamin. »Ich meine, vielleicht entpuppt sich ja alles als – wie soll ich sagen –«
    Benjamin wirft seinem Bruder einen amüsierten Blick zu.
    »Sie glaubt’s nicht, was?«
    »Das höre ich jetzt schon den ganzen Morgen«, sagt Jehuda. »Wenn. Aber. Aber. Wenn.«
    »Na und?« Rachel zuckt die Achseln. »Ich ziehe es vor, an das Gute zu glauben und mich auf das Schlechte zu verlassen.«
    »Die Menschenmenge«, sagt Benjamin. »Meinst du, das ist das Resultat einer Massenpsychose?«
    »Erzähl du mir nicht, wozu Massen fähig sind.«
    Jehuda schaut auf die Uhr. »Schon gehört?«, sagt er, um das Thema zu wechseln. »Sie haben die Aktgemälde zugehängt.«
    Benjamin schaut ihn verdattert an.
    »Wo?«
    »Unten im Saal.«
    Jetzt muss Jehuda grinsen. Sein Bruder weiß so viel mehr als er, aber eben doch nicht alles. Würde man ihn nach dem Bau dort mit den querliegenden Schießschartenfenstern befragen, die Antworten kämen wie aus der Pistole geschossen:
    11. April 1909, exakt an dieser Stelle. Ein Haufen Sand, bewegt vom Wüstenwind. 66 jüdische Familien, die das karge Gelände unter sich aufteilen, Grundstücke verlosen, die Geburt einer Stadt: Tel Aviv. Das Erfordernis einer bürgermeisterlichen Residenz, voilà : Meir Dizengoffs ehemaliger Amtssitz, seit 1930 Tel Aviv Museum of Art, Expressionismus, Kubismus, Futurismus, Werke von Klimt bis Kandinsky, bla, bla.
    Aber Nacktbilder?
    Siehst du, Ben, davon weißt du nämlich nichts.
    Weil du nie drin warst. Ich schon. Das ist der Unterschied zwischen uns beiden. Du punktest in Theorie, aber meidest Erfahrungen, die ich gerne machen würde, nur dass ich nicht weiß, wo ich suchen soll. Zu wenig gelesen. Wie kann Interesse am balinesischen Muttertempel aufkommen, wenn man nicht weiß, dass er existiert? Musste mich um den Hof kümmern, während du dich in Büchern verkrochen hast. Ein Praktiker ohne theoretische Bildung, ein Theoretiker ohne praktische Erfahrung, das sind wir.
    Höchste Zeit, weltläufiger zu werden.
    Nun, ein eigener Staat ist ein Anfang.

    Dass Ben Gurion diesen Staat ausgerechnet im Museum of Art ausrufen will, hat verschiedene Gründe. Zum einen die erlesene geografische Position. Das wird die Zeremonie verzuckern. Hier ist die erste jüdische Metropole entstanden, die man mit Fug und Recht als solche bezeichnen kann, an gleicher Stelle wird die erste hebräische Nation seit über 2000 Jahren geboren werden. Zum anderen, weil der große Saal halb unterirdisch angelegt und damit beinahe ein Bunker ist – nur, falls jemand auf die Idee kommen sollte, in den nächsten Stunden über dem Rothschild Boulevard Bomben abzuwerfen.
    Ägypter, Syrer, Jordanier, Saudis, Iraker –
    Jemanden vergessen?
    »Ist nicht mit zu rechnen«, verkündet Benjamin und lässt den Blick über

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