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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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schrie und im anderen apathisch vor sich hin starrte.
    Das ist das Problem mit Despoten: Sie können sich nur ein leidendes Opfer vorstellen.

    Sich selbst.
    Am Ende, Ironie des Ganzen, hatte Gaddafi mehr mit den Rebellen gemein, als ihm bewusst war. Zum einen Pasta. Irgendwann in den Dreißigern, während der italienischen Besatzung, waren Nudeln in allen Varianten auf libysche Teller geflutscht, und nun hielten sie sich beiderseits der Frontlinie damit aufrecht.
    Zweitens, das von ihm verfasste Grüne Buch. Gemäß der darin beschriebenen Dritten Universaltheorie hat die wahre Demokratie vom Volk und nicht von dessen Repräsentanten auszugehen. Und genau daran hielten sie sich jetzt, seine Kinder, und jagten ihn zum Teufel. Eigentlich hätte er stolz sein können, stattdessen quengelte er rum und lag allen in den Ohren mit seiner Angst vor den Bomben der NATO .
    Es half nichts.
    Sie mussten raus aus Sirte.
     
    Jene Nacht zuvor nun, als die Feuerblumen in den Himmel steigen.
    Über 70 Geländewagen stehen bereit, aufgetankt und mit laufendem Motor. Für drei Uhr morgens ist der Ausbruch geplant. Erst über die Schnellstraße Richtung Misrata, dann durch die Wüste über irgendeine Grenze, völlig egal, welche. Vielleicht wollen sie aber auch den nächsten Flughafen stürmen oder Schiffe kapern. Die einen wollen dies, die anderen das. Gaddafi spielt mit seiner goldenen Pistole rum, die er gewohnheitsmäßig bei sich trägt, ohne in den vergangenen Wochen je einen Schuss abgefeuert zu haben, und will in gar kein Nachbarland.
    Wohin er dann will?
    Zurück an die Macht natürlich.
    Mansur Dao nickt, klar, Kinderspiel, und drängt zum Aufbruch. Doch die Abfahrt verzögert sich, das Ganze ist weniger gut organisiert als angenommen. Dao tobt, sein Boss schweigt, mit den Gedanken bei der Ungerechtigkeit der Welt. Hat er sich nicht klar ausgedrückt in all den Monaten? Sieg oder Märtyrertod. Was soll er im Exil? Ein Muammar al-Gaddafi geht nicht ins Exil. Er hat einen Plan, und der sieht vor, im Süden einen Aufstand zu entfesseln.
    Über der Stadt erleichtern sich die Bomber.
    Als endlich alle startbereit sind, können sie dennoch nicht losfahren. Zu dicht ist die Präsenz der NATO . Den Arschlöchern in ihren Cockpits da oben 70 fliehende, schwer bewaffnete Fahrzeuge zu präsentieren, da gab’s schon bessere Ideen.
    Also harren sie weiter aus, zittern und bangen.
    Fünf Stunden lang.
     

    Dann endlich, gegen 8:30 Uhr, das Signal zum Aufbruch.
    Mit Höchstgeschwindigkeit biegen sie auf den Boulevard nach Westen ein, dreschen durch die Vororte. Gaddafi sitzt neben Dao auf dem Rücksitz eines Land Cruiser und schweigt. Hat sich jede Diskussion verbeten. Es geht nach Süden, und damit basta.
    Erstaunlicherweise, obwohl sie den Belagerungsgürtel durchbrechen müssen, schlägt ihnen kaum Widerstand entgegen. Wer den Konvoi vorüberrasen sieht, ist möglicherweise zu verblüfft, um ihn zu stoppen, was im Übrigen auch keine gute Idee wäre, weil die Pick-ups vor Waffen nur so starren. Vielleicht lässt man ihn aber auch passieren, weil man weiß, dass jemand anderer sich darum kümmern wird. Ein Al-Jazeera-Team, das zufällig am Straßenrand filmt, wundert sich, springt in die Wagen, hinterher, der Äther summt.
    Der Konvoi macht Strecke.
    Allmählich schöpfen sie Hoffnung. Sirte liegt weit hinter ihnen. Fast eine halbe Stunde sind sie jetzt schon unterwegs.
    Dann erscheinen die Bomber.
     
    Später wird aus NATO -Kreisen verlauten, man habe nicht gewusst, wer in der Kolonne sitzt. Geschenkt. Das Scheitern des Ausbruchs ist besiegelt, als Gaddafi am Vorabend wider jede Vernunft doch sein Telefon einschaltet und Verbündete im Süden anruft. 12   000 Mann sollen sie für ihn aufstellen, ein Heer für den Befreiungskampf, an dessen Spitze er sich setzen wird.
    Die Geheimdienste sind entzückt.
    Da ist er ja, der gute alte Muammar!
    Wer immer da gelauscht hat, ob es sogar zutrifft, was der Daily Telegraph später schreiben wird, dass nämlich die NATO Gaddafi zu diesem Zeitpunkt längst lokalisiert und seit über einer Woche jeden seiner Schritte beobachtet hat – um 9:00 Uhr jedenfalls sind eine US -Drohne und zwei französische Mirage-Kampfjets zur Stelle und schießen den Konvoi zu Schrott.
    Ein Wagen nach dem anderen geht in Flammen auf.
    Gaddafi springt in Panik aus dem Land Cruiser, Dao und ein paar Getreue hasten hinterdrein. In der Nähe liegen Farmen, doch die Präsenz der Jets macht jede Flucht über freies Feld

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