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Krieg als Sieger hervorzugehen, und wer weiß, wie die Grenzen danach verlaufen werden.
Ben Gurion behauptet sich in allen Punkten.
Die Arbeit beginnt, wie gewohnt auf den letzten Drücker: Ausarbeitung der Unabhängigkeitserklärung. Kürzen. Verwerfen. Ergänzen. Ins Englische übersetzen. Saal schmücken, Großporträt Theodor Herzls, umrahmt von blau-weißen Flaggen.
Podium zimmern lassen.
Mittags monieren die religiösen Vertreter des Nationalrats, in der Unabhängigkeitserklärung fehle Gott. Wo ist Gott? Gott muss rein, der Gott Israels. Die Säkularen protestieren, sie wollen keinen Gottesstaat, glauben an keinen Gott, haben das Recht, nicht an ihn zu glauben, der Zionismus kommt ganz prima ohne aus, Gott soll sich raushalten, falls es ihn gibt, und falls nicht, sowieso. Dermaßen geraten sie sich in die Haare, dass die Zeremonie vorübergehend auf der Kippe steht, bis jemandem einfällt, Gott als Fels zu verklausulieren.
Tsur Israel. Fels Israels.
Glänzende Idee.
Da wissen die einen, wer gemeint ist, und die anderen können sagen:
Gott?
He, Moshe, haben wir einen Abgeordneten namens Gott?
Tut uns leid.
Außerdem muss das Dokument noch abgetippt werden.
Finger fliegen über Tasten, der Sekretär der Nationalverwaltung wartet, nervöse Blicke zur Uhr, gleich wird die Zeremonie beginnen, endlich fertig, nix wie los, aber womit? Hat er doch tatsächlich vergessen, sich einen Chauffeur zu bestellen. Rennt auf die Straße, stoppt blindlings den nächsten Wagen, zum Museum of Art, schnell, Geschwindigkeitsbegrenzung, rote Ampeln, Schnickschnack, was, Sie haben keinen Führerschein, egal, he, warum halten Sie, wer ist der Kerl im Weg?
Ah, Polizei.
Führerschein, Fahrzeugpapiere.
»Sie verzögern die Staatsgründung!«, schreit der Sekretär den Beamten an, womit auch das geklärt wäre.
Mit quietschenden Reifen –
In letzter Sekunde –
»– setzen wir mit Zuversicht auf den Fels Israels unsere Namen zum Zeugnis unter diese Erklärung, gegeben in der Sitzung des provisorischen Staatsrates auf dem Boden unserer Heimat in der Stadt Tel Aviv.«
Ben Gurion macht eine Pause.
»Der Staat Israel ist gegründet. Die Versammlung ist beendet.«
Jubel. Minuten später: »Anerkannt! Anerkannt! Stalin hat Israel anerkannt. Die Sowjets haben uns anerkannt, und Truman auch! Die Amerikaner, die Amerikaner!«
Beispielloser Jubel.
Stunden später: »Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien, der Irak, Syrien und Libanon –«
»Ja? Was?«
»Erklären uns den Krieg.«
»So. Sie erklären einem Staat, den sie nicht anerkennen, formell den Krieg.« Auch wenn sie bemüht sind, es nicht formell klingen zu lassen. Ben Gurion lächelt schmallippig. »Wenn sie mit der gleichen Logik kämpfen, haben sie schon verloren.«
Oder auch nicht, denkt er.
Aber das sagt er nicht.
Kfar Malal
Am frühen Abend fahren sie zurück, die ganze Familie. Benjamin und Leah waren länger nicht mehr im Moschaw. Ben hat sich an einer Talmudschule in Tel Aviv eingeschrieben, vorübergehend, wie er sagt, bis Jerusalem befreit ist. Danach will er die Jeschiwat Merkaz HaRaw Kook besuchen, eine populäre Glaubensschmiede, geleitet von Zwi Jehuda Kook, dem Sohn des legendären Rabbis Abraham Isaak Kook.
»Das kann dauern«, sagt Jehuda.
Im Moment jedenfalls ist in Jerusalem kein Rein- oder Rauskommen, und was Hebron betrifft –
»Ihr wollt da immer noch hin?«
»Natürlich.«
»Ich versteh’s nicht, Ben.«
»Was ist so schwer zu verstehen?«
»Warum versteift ihr euch so sehr auf eine Stadt, die fest in arabischer Hand ist?«
»Noch.« Benjamin zuckt die Achseln. »Das wird sich ändern.«
»Wann?«
»Irgendwann.«
Sie gehen die Feldwege entlang, Benjamins vermindertem Tempo angepasst. Spaziergänge mit Benjamin können ausufern. Thematisch und geografisch.
»Unsinn, Ben. Es wird sich gar nicht ändern. Es war schon vor vier Jahren eine hirnrissige Idee, als Leah dir den Floh ins Ohr gesetzt hat.«
»Hat sie nicht.«
»Doch. Leah, deine Schwiegereltern –«
»Ach, Jehuda.« Benjamin lächelt. »Ich wollte schon vorher hin. Ich muss dir doch nicht immer wieder aufs Neue erklären, welche Bedeutung Hebron für uns Juden hat.« Sagt es, als sei Jehuda keiner.
»Ganz gleich, welche Bedeutung es für euch hat, da sitzen überall jordanische Soldaten.« Jehuda schüttelt den Kopf. »Mensch, Ben. Hebron ist nicht Teil Israels.«
Benjamin saugt an seiner Backe.
»Was Teil Israels ist, wird sich noch erweisen.«
Ob Absicht
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