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oder Zufall ihre Schritte lenkt, plötzlich finden sie sich oberhalb des Tunnels wieder, in dem Bens Schussfahrt vor zehn Jahren ihr Ende fand. Inzwischen ist der Pfad vollständig zugewuchert. Ringsum explodiert die Vegetation in sattem Grün, Blau, Rosa und Gold, auch Braun mischt sich hinein, wo die Hitze begonnen hat,Böden und Pflanzen zu verbrennen. Es riecht nach Blütenpollen und Landwirtschaft.
Benjamins Blick verliert sich in der Tunnelmündung.
In der Schwärze, die ihn verwandelt hat.
Schwer zu sagen, was in ihm vorgeht.
»Und sonst?« Er reißt sich los. »Wie läuft dein Studium so?«
Jehuda pflückt eine Handvoll wilde Himbeeren und stopft sie sich in den Mund.
»Ich bin dieselbe faule Sau von damals, wenn du das meinst.«
»Nachhilfe gefällig?«
»Oh, du hast mir zweifellos den Arsch gerettet.« Lacht. »Wer weiß, wo ich sonst gelandet wäre.«
»Am Ende landest du doch immer auf einem Traktor.« Benjamin grinst. »Oder auf einer Frau.«
Stimmt. Er liebt die Landwirtschaft.
Und, zugegeben, das andere auch.
»Diesmal brauch ich keine Nachhilfe, Ben. Es fliegt mir zu.«
Weil er es liebt, Farmer zu sein. Vergangenes Jahr haben er und Arik sich an der Hebräischen Universität für Landwirtschaft eingeschrieben. Nur Jehuda ist aufgenommen worden, was Arik schwer zu schaffen macht, wo er doch auch so ein Landei ist. Margalit, die süße kleine Rumänin, mit der er seit einem Jahr herumhängt, wo hat er die wohl kennengelernt? In Tel Aviv auf einer Party? In der Hagana?
Nichts von alledem, auf einem Acker. Bei der Orangenernte.
Zweifellos ist Arik fürs Land geschaffen.
Aber mehr noch für die Armee.
Jehuda weiß das schon lange, inzwischen dürfte Arik es selbst begriffen haben. Nach seinem Wechsel zur Hagana trat er der Siedlungspolizei bei, ist mittlerweile Zugführer. Ein harter Knochen, der anderen das Letzte abverlangt. Seine Vorgesetzten prophezeien ihm eine glänzende Karriere, nur kooperativer, finden sie, müsste er sein.
Ausgerechnet Arik, der alte Streithammel.
Nein, denkt Jehuda, du hättest dich an der Uni zu Tode gelangweilt. Du bist ein Kämpfer.
Und wie es aussieht, wirst du ordentlich zu tun bekommen.
Er selbst hat an der Uni Freunde gefunden, ganz nach seinem Geschmack. Trinken ausreichend, huldigen einem promisken Lebensstil, nehmen die Dinge leichter, als es Gleichaltrige in Ländern mit weniger Problemen vielleicht täten, sind also unterm Strich sehr in Ordnung.
Vor allem Yousef.
Yousef al-Sakakini ist Araber. Vor zehn Tagen lebte er noch in Palästina, seitdem in Israel. Laut Unabhängigkeitserklärung ist er damit automatisch israelischer Staatsbürger. Was die Frage, ob Israel ein reiner Judenstaat ist, dahingehend verändert, ob Israel überhaupt ein reiner Judenstaat sein kann.
Und will.
Jedenfalls, mit Yousef versteht er sich blendend, der Kerl hat einen zündenden Humor, auch wenn ihm der vor zwei Monaten abhandenkam, als jüdische Milizen beim Versuch, den Belagerungsring um Jerusalem zu durchbrechen, im Dorf Deir Jassin ein Massaker anrichteten. Irgun und Lechi im Alleingang, Dutzende toter Zivilisten, Frauen und Kinder. Was halt passiert, wenn man von Haus zu Haus geht und Handgranaten durch offene Fenster wirft. Ben Gurion, die Hagana, die Jewish Agency, alle haben den Einsatz aufs Schärfste verurteilt, aber das macht Yousefs Onkel auch nicht wieder lebendig.
»Ein abscheuliches Verbrechen«, nickt Benjamin. »Aber Irgun und Lechi sind nicht die Wegbereiter für Eretz Israel.«
Abgesehen davon, dass es beide nicht mehr gibt. Mit dem Tag der Unabhängigkeit hat Ben Gurion sämtliche paramilitärischen Verbände aufgelöst, auch die Hagana. Es existiert nur noch Zahal, der Welt bekannt als Israel Defense Forces, kurz IDF .
Die israelischen Streitkräfte.
»Begin und seine Bande wollen immer noch ganz Israel«, sagt Jehuda verächtlich. »Die ganzen militanten Revisionisten, die sich neuerdings politisch korrekt geben.« Jetzt unter dem Namen Cherut, im Grunde Irgun ohne Waffen. Somit sitzt Begin nun in der Knesset, im israelischen Parlament, wo er allgemein verabscheut wird, Ben Gurion jedenfalls ist derart angewidert von ihm, dass er sich weigert, seinen Namen auszusprechen. Nennt ihn nur »das Mitglied, das neben Herrn Dr. Bader sitzt«.
»Und zu Recht.« Jehuda verzieht verächtlich das Gesicht. »Begin will immer noch Großisrael.«
»Ja, aber aus den falschen Gründen.«
»Gibt es richtige?«
»Natürlich. 2000 Jahre alte. Und noch
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