Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
natürlich weiß ich das, aber ich musste trotzdem fragen. Um Gewissheit zu haben.
Ich versuche mir einzureden, dass es ihm gut geht, dass er auf uns wartet, egal, an welcher U-Bahn-Station Alina uns ans Tageslicht bringt. Ich versuche, mir all das einzureden, obwohl ich genau weiß, dass es sehr viel wahrscheinlicher ist, dass Quinn tot ist – oder so gut wie tot.
Und dann schwöre ich mir, dass ich Quinns Tod rächen werde, falls er tatsächlich nicht mehr lebt. Ich werde einen Weg finden, das Ministerium für seinen Tod bezahlen zu lassen.
QUINN
Ich habe alle Hoffnung aufgegeben und vorübergehend sogar schon das Bewusstsein verloren, da reißt mich plötzlich eine Stimme aus dem Dämmerzustand. Irgendjemand ruft: »Alala?«
Ich frage mich, ob ich mir das Rufen nur einbilde, ob der Sauerstoffgehalt in meinem Blut schon so niedrig ist, dass ich ins Delirium gefallen bin. Ich huste. Und dann höre ich die Stimme wieder. »Alaaala?«
Ich versuche zu schreien, aber mein Hals ist so trocken, dass ich nur ein weiteres Husten hervorbringe. Ich huste und huste, und während ich das tue, bewegen sich die Ziegelschichten um mich herum und Staub rieselt mir in die Augen.
»Hallo!«, rufe ich und diesmal klingt es wie ein richtiges Wort. »Hier bin ich!« Das war sogar noch lauter.
»Ich komme!«
Über mir höre ich ein Geräusch wie von einer Straßenbahn, die in die Station einfährt, dann ein Knirschen und Dröhnen. Nach einer gefühlten Ewigkeit durchbricht ein grauer Lichtspalt die Finsternis und die Betonplattewird endlich weggeschoben. Kurz darauf späht ein Gesicht, umgeben von Mondlicht, zu mir herab.
»Du bist ja gar nicht Alina!«, sagt der Typ, dem das Gesicht gehört.
»Ich bin Quinn.«
»Aha.« Der Typ schiebt weiter Schutt beiseite, damit ich mich aus dem Hohlraum befreien kann. Er hat eine düstere Miene und schaut mich aus dunklen Augen hart an. Hinter seiner Schulter taucht ein zweiter Typ auf, der sogar noch finsterer dreinblickt. Er hilft, mich auszugraben.
»Kannst du aufstehen?«, fragt mich der Erste, als endlich kein Geröll mehr auf mir liegt. Ich schaffe es, mich hinzusetzen, aber als ich versuche aufzustehen, knicken meine Beine ein.
»Hier.« Er reicht mir die Wasserflasche seines Kumpels. Ich schiebe meine Maske hoch und nehme einen großen Schluck, dann reiche ich die Flasche zurück.
»Wir suchen jemanden. Ein Mädchen.«
»Wer seid ihr?«, frage ich.
Die beiden sehen definitiv nicht so aus, als sei mit ihnen zu spaßen. Der Erste, der mit den stechenden Augen, gibt dem Blonden die Flasche zurück, der sie wortlos in seinem Rucksack verstaut und dann zum Mond hochblickt, der in voller Pracht am Himmel steht. Ein steifer Wind peitscht uns ins Gesicht und Schneeflocken wirbeln in der Luft. Der Blonde zieht seine Mütze tiefer.
»Du bist ein Premium«, stellt der Erste fest.
Schon erstaunlich, wie schnell die Leute das registrieren. Fast so, als sei es die herausstechendste Eigenschafteines Menschen, die entscheidende Information, die man braucht, um jemanden wirklich zu kennen.
»Ich heiße Quinn«, wiederhole ich und strecke ihm meine geschwollene, blutige Hand entgegen. Er betrachtet sie einen Augenblick, bevor er schließlich ebenfalls seine Hand ausstreckt.
»Ich bin Silas.« Er hat einen festen Händedruck. »Und das ist Inger. Wir suchen meine Cousine.«
TEIL 3
DER WIDERSTAND
QUINN
»Du behauptest also, du hättest Alina getroffen?« Silas blickt misstrauisch zu mir herunter. »Dass ihr zusammen hergelaufen seid und du ihr geholfen hast? Du ?« Er hat offenbar Probleme, sich das vorzustellen.
Ich bin von Kopf bis Fuß dreckig, zittere immer noch am ganzen Körper von dem Schock, lebendig begraben gewesen zu sein, und presse mir ein altes T-Shirt an die Stirn, um die Blutung einer Schnittwunde über der Augenbraue zu stillen.
»Die Ausgestoßene hätte sie umgebracht, wenn wir nicht dazwischengegangen wären«, krächze ich, immer noch heiser vom Staub in meinem Hals.
»Wir?« Silas blickt Inger an, der immer noch kein Wort gesagt hat. Abwartend steht er hinter seinem Kumpel, die Hände in die Hüften gestemmt.
»Meine Freundin Bea und ich«, erkläre ich. »Bea ist jetzt bei Alina. Glaube ich zumindest. Hoffe ich.«
Silas reibt sich nachdenklich über sein stoppeliges Kinn. Er hat denselben entschlossenen, unnachgiebigen Gesichtsausdruck wie seine Cousine, was ihn deutlichälter wirken lässt, als er vermutlich ist. Schätzen würde ich ihn auf höchstens
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