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Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Titel: Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Crossan
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klammert sich erneut an meinem Arm fest.»Wie geht’s dir? Hältst du durch?«, frage ich, und sie nickt, um keine Energie mit Sprechen zu verschwenden. Sie hasst mich nicht mehr, die alte Maude Blue. Und ich, ich habe einfach nur Mitleid mit ihr. Das ist alles.
    »Sei vorsichtig mit dem Schnee. Nicht, dass du ausrutschst.«
    Alina dreht sich zu uns um. »Bald werdet ihr sehen, was an Leben noch möglich ist außerhalb der Kuppel.«
    Ich frage nicht nach, was sie damit meint. Eine Zeit lang war ich neugierig, aber inzwischen ist es mir egal. Während sie läuft, streckt Alina hin und wieder ihre Handflächen aus, um Schneeflocken aufzufangen. Ich beobachte sie und will es ihr gerade nachmachen, als ich ein Rumpeln höre, leise zwar, aber völlig eindeutig. Wie angewurzelt bleibe ich stehen.
    »Panzer!«, rufe ich.
    Schnell deutet Alina auf ein solides Gebäude mit Gesichtsskulpturen an der Fassade und wenig später drängen wir uns durch die schwere Eingangstür.
    »Glaubt ihr, sie haben uns gesehen?«, fragt Alina. »Wir müssen uns auf jeden Fall versteckt halten.« Sie checkt die Anzeige ihrer Sauerstoffflasche und wirft mir einen besorgten Blick zu.
    »Du hast nicht mehr viel, oder?«, frage ich.
    Alina zuckt mit den Achseln. »Bei uns allen wird’s knapp.«
    Ich blicke auf meine eigene Anzeige und sehe, dass sie recht hat. Die Luft geht uns aus. Als ich mich umdrehe, um Maudes Anzeige zu überprüfen, ist Maude nicht da. Irgendwie hat sie es geschafft, sich zur anderenSeite des Raumes zu stehlen. Dort starrt sie gebannt auf die Wände.
    »Unglaublich!«, ruft sie. »Was für’n Wahnsinn! Richtig gruselig!«
    Ich gehe zu ihr und schaue ebenfalls. »Wow, sind die echt?«
    »Bücher«, antwortet Maude. »Bücher, Bücher und nochmals Bücher. Papier.«
    Sie lacht, streckt eine Hand aus und lässt sie über die Buchrücken gleiten. Dann nimmt sie ein Buch aus dem Regal und öffnet es. An den Ecken sind die Seiten schwarz und verschimmelt. Ein paar Premiums besitzen Bücher, aber der weitaus größte Teil der Papierprodukte wurde im Ödland zurückgelassen, wo er seitdem vor sich hin rottet. Ich selbst kenne Bücher nur von Fotos und aus Filmen.
    »›Mit einem Wort: Ich war zu feige, um das zu tun, was ich für richtig hielt, und zu feige, um das zu unterlassen, was ich für falsch hielt.‹ Hört sich ganz anders an, wenn man’s vom Papier abliest, oder?«, fragt Maude.
    Ich kenne den Satz nicht, den sie vorgelesen hat, aber ich merke, dass ihre Stimme auf einmal ganz anders klingt: viel zarter und leichter.
    »Das behalt ich«, sagt sie und stopft das Buch unter ihre Jacke. »Na los, such dir auch eins aus!«
    Meine Hand gleitet über die Buchreihen.
    »Was ist das hier?«, frage ich.
    »›Stolz und Vorurteil‹. Kennste nich? Sag mal, was lernt ihr eigentlich inner Schule?«
    »Hauptsächlich Shakespeare. Unser Lehrer sagt, dass in Shakespeare alles an Literatur drinsteckt, was es gibt.«
    »Hm, ja, kann sein. Egal, ich nehm jetzt lieber das hier.« Sie reißt mir ›Stolz und Vorurteil‹ aus der Hand und lässt es in ihrer Jacke verschwinden, aus der sie gleichzeitig das erste Buch wieder hervorzieht und mir zuwirft. »Hier, Charles Dickens, ›Große Erwartungen‹. Is bestimmt eher dein Ding. Pip, der Held, gefällt dir garantiert.«
    Ich schiebe das Buch unter meine Jacke. Der harte Buchdeckel drückt sich in meinen Bauch.
    Alina ist in der Zwischenzeit auf einen Tisch geklettert und späht nach draußen.
    »Sie kommen näher«, warnt sie.
    Tatsächlich ist das Dröhnen und Rumpeln sehr viel lauter geworden und der Boden unter unseren Füßen bebt jetzt. Ich stelle mich neben Alina auf den Tisch. Der Panzer ist fast vor unserem Gebäude angekommen. Die Ketten drehen sich langsamer, kommen schließlich zum Stillstand und die Motorengeräusche verstummen. Eine Gestalt mit einem Gewehr in der Hand lässt sich oben im Geschützturm blicken und schießt in die Luft.
    »Was macht der Typ da?«, flüstere ich.
    »Keine Ahnung«, flüstert Alina zurück.
    »Die spielen«, erklärt Maude, obwohl sie gar nicht sehen kann, was wir sehen. »Die langweilen sich, also spielen sie. Ham wir auch gemacht. Bumm, bumm, bumm. Bisschen Spaß ham zwischendurch.«
    »Bist du sicher?«, fragt Alina, aber Maude antwortet nicht. Sie ist in irgendein Buch vertieft.
    Als ich wieder nach draußen schaue, ist neben dem ersten Soldaten ein zweiter aus der Luke geklettert. Jetzt springen beide zu Boden und schlendern die Straße

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