Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
verschiedenfarbiger Klamotten gehüllt und richtet ein Gewehr auf uns. Seine Haut ist dunkel und wirkt vor lauter Dreck richtig grobkörnig.
»Hast eh keine Kugeln in dem Ding«, gackert Maude und geht weiter.
»Keine Bewegung, Maude. Ich schwör, ich drück ab.«
»Verarsch mich nich, Bruce. Selbst wenn da Kugeln drin sind, haste deine Brille nich auf. Bist doch blind wie’n Maulwurf.«
»Das ist meine letzte Warnung!«, bellt er.
»Maude, bleib lieber stehen.« Ich will sie am Arm festhalten, aber sie ist schon weitergegangen.
»Na, wenn du so toll sehn kannst, dann sag mir doch mal, wie viel Leute ich dabeihab«, ruft sie provozierend.
»Okay, das war’s«, brüllt der Typ, linst durchs Zielfernrohr und richtet den Gewehrlauf auf uns. Aber dann plötzlich – sein Finger liegt schon am Abzug – springt er vom Geländer weg und verschwindet in der Dunkelheit. Maude heult laut auf vor Lachen.
»Der is weg, der muss sich wieder anstöpseln!«
Sie hat recht: Der Typ trug keine Atemmaske, also muss er den Atem angehalten haben, es sei denn, er hat einen Weg gefunden, ohne Sauerstoff auszukommen.
In der oberen Etage führt Maude uns direkt zu einem Geschäft mit unzähligen Holzkästchen und silbernenRöhrchen in den Regalen. In einem schmuddeligen Veloursessel, an dessen Seiten bereits das Füllmaterial herausquillt, hockt Bruce. Das Gewehr liegt auf seinem Schoß, der Lauf zeigt in unsere Richtung. Seine Atemluft kommt aus einem Solar-Atemgerät, ähnlich dem, mit dem sich Maude durchgeschlagen hatte. Doch kaum hat er die Maske auf sein Gesicht gepresst und einen tiefen Atemzug genommen, reißt er sie schon wieder ab und klemmt sich mit der anderen Hand ein längliches braunes Ding zwischen die Lippen. Er inhaliert tief, hält dann die Maske vor das qualmende Teil – Zigarre nannte man so was früher, glaube ich – und umgibt es mit Sauerstoff, damit es nicht ausgeht. Die Spitze glüht auf und dann kringelt Rauch aus Bruce’ Mund und Nase. Es sieht aus, als würde es in ihm schwelen.
»Hängste immer noch an den Dingern?«, fragt Maude. »Der eine Lungenflügel atmet Sauerstoff, der andere blauen Dunst, was? Die bringn dich noch um, die Stengel, du Schwachkopf. Was für’ne beschissene Kombination! Und was für’ne verdammte Sauerstoffverschwendung!«
Bruce nimmt einen weiteren röchelnden Atemzug Luft, gefolgt von einem Zigarrenzug. »Wenn ich sterb, dann sterb ich wenigstens rauchend«, verkündet er. »In der Atmosphäre ist kein Sauerstoff. Aber in dem Ding hier, da ist reichlich drin.« Er tritt mit dem Fuß gegen das Solar-Atemgerät. »Bin ja nicht vollkommen bescheuert. Hab meine Mittel und Wege.«
Wir wissen nicht viel über Bruce. Nur, dass er ein Ausgestoßener ist und seit seinem Rauswurf aus derKuppel einen Riesenhass aufs Ministerium hat. Er lebt aus dem gleichen Grund allein wie alle Ausgestoßenen: Er glaubt, allein sicherer zu sein, weil es das Risiko verringert, bei einer Razzia des Ministeriums entdeckt und getötet zu werden.
Jetzt hustet er wie wild, woraufhin Maude – wie ein grausames Echo – ebenfalls zu husten anfängt.
»Donnerwetter, Maddie Blue, wer hätte das gedacht? Siehst ja richtig gut aus.« Er klopft sich auf die Oberschenkel und winkt sie heran. »Hier, mach’s dir bequem.«
»Das hättste wohl gern.«
»Oh, bist dir wohl zu fein für mich, jetzt, wo du wieder mit BREATHE rumklüngelst, stimmt’s, Blue?«, fragt er.
»Oh Mann, halt die Klappe, Bruce. Die Kids hier, die sind bei den Rebellen.«
»Rebellen? Paar Blümchen pflanzen und den Rest des Tages Liedchen singen? Dass ich nicht lache.«
In diesem Moment tritt Silas vor und schüttelt Bruce die Hand. »So ist es nicht mehr. Die Leute von BREATHE haben uns im Visier und wir bauen selbst eine Armee auf. Wir brauchen Menschen, die an unserer Seite kämpfen, Männer, Frauen, so viele wie möglich. Und dich hätten wir gern als Allerersten. Wir wollen, dass du mitkommst und uns beim Rekrutieren hilfst.«
Ich muss sagen, ich hätte Silas ein bisschen mehr taktisches Geschick zugetraut. Warum, bitte schön, sollte Bruce sich uns anschließen, wenn nichts für ihn dabei rausspringt?
»Wieso? Ihr Rebellen habt uns doch immer für den letzten Abschaum gehalten!« Bruce wechselt immer noch eifrig zwischen Atemmaske und Zigarre.
»Wir haben genug Gründe, euch zu hassen, das stimmt. Aber wir brauchen euch. So einfach ist das«, sagt Silas.
Bruce lächelt und vergräbt sich noch ein bisschen tiefer
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