Brenda Joyce
Umriss vor dem dämmerigen Himmel
ab, und aus den Fenstern fiel Licht.
Jack sah in
seinem Frack sehr schneidig aus und stieß ihr jetzt den Ellenbogen in die
Rippen.
Sie sah ihn
stirnrunzelnd an.
»Jemand
musste dich aufwecken«, sagte er und grinste.
Sie
entschloss sich, ihn zu ignorieren. Ihre Mutter wies ihn zurecht und sagte
leise, er sollte aufhören, seine Schwester zu necken.
Elysse
starrte aus dem Wagenfenster und hielt sich an dem Gurt fest. Seit der
seltsamen Begegnung mit Alexi in der Bibliothek ihres Vaters waren mehrere Tage
vergangen. Die Tatsache, dass er sein Versprechen, ihr einen russischen Pelz
mitzubringen, nicht vergessen hatte, freute sie, doch sie hatte nicht
vergessen, wie verletzt sie gewesen war, und dass sie es kaum glauben konnte,
als er sie quasi eine Dirne genannt hatte. Sie war sicher, dass er es nicht so
gemeint hatte – er konnte es unmöglich so gemeint haben. Doch vor allem
erinnerte sie sich an das heftige Verlangen, dass sie gefühlt hatte, als er sie
berührte. Und sie erinnerte sich an den Ausdruck seiner Augen, ehe er sich
abgewandt hatte. Aber vielleicht hatte sie sich ihr Verlangen und seine
Reaktion darauf auch nur eingebildet. Sie war nicht sicher, was sie erwarten
durfte, wenn sie einander am Abend wieder begegneten.
Seit er ihr
den Pelz gebracht hatte, war er nicht mehr auf Askeaton gewesen, und sie
wusste, warum er nicht vorgesprochen hatte. Sie hatte viel Gerede über ihn
gehört. Offenbar war er Louisa Cochranes ständiger Begleiter geworden.
Es sollte
sie nicht interessieren, mit wem er unterwegs war, aber jedes Mal wenn sie an
ihn im Zusammenhang mit der anderen Frau dachte, versetzte es ihrem Herzen
einen Stich.
Sie
versuchte, sich daran zu erinnern, dass diese Affäre nichts Ungewöhnliches war,
wirklich nicht, denn Alexi hatte ständig Affären. Er blieb dennoch ihr treuer
Freund. Aber zum ersten Mal in ihrem Leben beruhigte sie das nicht. Verwirrung
und Zweifel bemächtigten sich ihrer. Sie hatte sogar überlegt, unter dem
Vorwand, Ariella besuchen zu wollen, nach Windhaven zu fahren. Doch sie hatte
sich zurückgehalten. Er würde diese List sofort durchschauen und sich über
ihren Wunsch lustig machen, ihn sehen zu wollen.
Es schien
beinahe so, als ginge er ihr absichtlich aus dem Weg. Aber warum sollte er das
tun?
Die Kutsche
fuhr nun langsamer, als sie das Ende der Schlange aus Kutschen und Wagen erreichten,
die vor dem Eingang des Hauses warteten. Cliff hatte Windhaven in demselben
Jahr gebaut, als er seinen Sohn aus Jamaika nach Hause geholt hatte, zu Ehren
seiner Braut Amanda. Das dreistöckige Haus war in gregorianischem Stil
errichtet, mit Türmen an allen vier Ecken und einem schrägen Ziegeldach. Die
Gärten, die es umgaben, waren herrlich. Dort wuchsen vor allem Rosen, jeder in
der Gegend wusste, wie sehr Amanda die englischen Rosen liebte. Seine
Stallungen waren aus hellem Stein errichtet, genau wie die Wohnquartiere der Bediensteten.
Es glich beinahe einem Schloss und legte Zeugnis ab von dem Erfolg seines
weltweiten Schiffsimperiums.
Zwei
Dutzend Kutschen standen in der Reihe vor ihnen, soweit Elysse sehen konnte.
Sie erkannte die goldverzierte Kutsche, die dem Earl of Adare gehörte. Tyrell
de Warenne war Cliffs ältester Bruder und Alexis Onkel. Er hätte natürlich nach
ganz vorn fahren können, aber er hatte sich entschieden, genau wie jeder
andere darauf zu warten, bis er an der Reihe war. Offenbar hatte niemand
Amandas Einladung abgelehnt, aber es gab auch nichts, was mit einem irischen
Ball auf dem Land vergleichbar war, und in diesen Zeiten, da die Ernten knapp,
die Armenhäuser voll und die nationale Verschuldung ein Thema bei jedem
Abendessen waren, wurden nur selten welche veranstaltet.
Jack
tätschelte ihr das Knie. »Keine Sorge. Ich bin sicher, Montgomery wird dich um
den einen oder anderen Walzer bitten.«
Sie warf
ihm einen finsteren Blick zu. Es war nicht Montgomery, der ihr schlaflose Nächte
bereitete, obwohl er sich als ein sehr galanter Verehrer erwiesen hatte. Elysse
gefielen seine Geschichten über die See. Inzwischen kannte sie beinahe jede
Einzelheit über alles, was geschehen war, seit Alexi den Navigator zum ersten
Mal auf dem St. Lorenz-Strom in Kanada getroffen hatte. Natürlich hatte
Montgomery ihr nichts über den Tag erzählt, an dem er Alexi das Leben gerettet
hatte. Sie wusste, dass Montgomery ebenfalls der Meinung war, dass sie zu zart
war, um die Einzelheiten zu hören, obwohl er merken musste, dass
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