Brenda Joyce
wurde übel, wenn er daran dachte, dass er Elysse
und den Amerikaner einander vorgestellt hatte.
Er wusste,
er würde nie den Anblick vergessen, wie Montgomery auf ihr gelegen hatte, von
Lust getrieben, Elysse so klein und zerbrechlich, der schwere Atem des
Amerikaners, sein Stöhnen, während Elysse vor Angst schrie, vielleicht sogar vor
Schmerz ...
Er schob
diese schreckliche Erinnerung beiseite. Sofort nahm eine andere, nicht weniger
unangenehme, ihren Platz ein – Elysses tränenüberströmtes Gesicht. Er sah sie
in seinen Armen, verletzt, verängstigt, weinend. Nie zuvor war sie ihm schöner
und verletzlicher erschienen. Und nie zuvor hatte er diesen Drang verspürt,
sie zu beschützen.
Seine Kehle
war wie zugeschnürt. Er kannte sie so gut. Er hatte sie gekannt, seit sie
Kinder gewesen waren.
Ich bin
nicht betrunken, und ich werde nicht nach Hause gehen. Nicht ehe du mir
anbietest, mich zu begleiten ...
Kokettierst
du etwa mit mir?
Das
mache ich doch mit jedem, erinnerst du dich?
Seine
Anspannung war unerträglich geworden. Sie war unglaublich verführerisch und
beständig auf der Suche nach Aufmerksamkeit. Sie hatte in jener Nacht mit
jedem Mann getanzt, der zur Verfügung stand. Sie hatte mit Montgomery
kokettiert. Und sogar mit ihm selbst. Aber was sie auch getan hatte, keine Frau
verdiente es, so behandelt zu werden, wie es ihr geschehen war.
Es war sein
Fehler: Er hatte Montgomery nach Irland gebracht.
Seine
Gedanken überschlugen sich. Er sah Bilder vor sich. Elysse und Montgomery in
dieser schrecklichen Umarmung. Montgomery, der nach dem Messer griff,
gleichzeitig mit ihm. Die Leiche seines Navigators, wie sie sie über Bord und
ins Meer warfen ...
Devlin
reichte ihm ein Glas. Er nahm es, aber er sah nichts als Elysse vor sich, die
ihn jetzt verführerisch anlächelte.
Du bist
wirklich betrunken, wie ein Matrose. Du solltest nach Hause gehen.
Nein,
das werde ich nicht tun. Ich habe William noch einen Tanz versprochen – und
einen Spaziergang im Garten. Hast du bemerkt, wie schön der Mond heute Nacht
scheint? Man nennt ihn den Mond der Liebenden, Alexi ...
Ihm wurde
heiß, und er hatte das Gefühl, er müsste auf etwas einschlagen, irgendetwas.
Natürlich hatte sie nicht auf ihn gehört. Sie hatte noch nie auf ihn gehört.
Stattdessen war sie mit Montgomery nach draußen gegangen und hatte weiter mit
ihm gespielt. Und jetzt war der amerikanische Navigator tot.
Ihretwegen
hatte er ihn getötet. Er würde es noch einmal tun, wenn es nötig wäre, obwohl
der verdammte Amerikaner ihm das Leben gerettet hatte.
»Nun, das
ist erledigt«, sagte Devlin und unterbrach seine Gedanken. »Der Bastard
liegt auf dem Grund der Irischen See.«
Alexi
leerte sein Glas. Noch immer zitterte seine Hand. Der Drink löste nicht im
Geringsten seine Spannung, ganz und gar nicht.
»Es wird
vorübergehen«, sagte sein Vater entschieden, als wollte er das durch die
Worte erzwingen.
Alexi glaubte
ihm nicht. Er würde diesen Abend niemals vergessen – er würde nie vergessen,
was Elysse zugestoßen war, und seinen Anteil daran erst recht nicht!
Cliff
umfasste seine Schultern. »Es ist erledigt, Alexi, und darüber nachzudenken
hilft nicht weiter. Du musst das hinter dir lassen. Wir werden nie mehr über
diese Nacht sprechen – und auch nicht über den Navigator.«
Alexi
stellte fest, dass er nichts zu sagen hatte. Er war in einem seltsamen Zustand
der Erschöpfung, so übermüdet, dass er sich weder ausruhen noch schlafen
könnte.
Überrascht
stellte er fest, dass eine neue Welle des Zorns in ihm aufstieg.
So viele
Erinnerungen kehrten zurück, dass er einen Moment lang wie gelähmt war.
Montgomery und er Seite an Seite, hinter einer Barrikade aus Holzscheiten, wie
sie gegen eine Gruppe von Indianern um ihr Leben kämpften, mitten in einem
heftigen Schneesturm ... Montgomery und er, wie sie danach in der Kajüte
saßen, Whiskey tranken und sich einfach nur freuten, am Leben zu sein ... Montgomery
und er in Gibraltar, in dem kleinen Schlafquartier eines Gasthauses, in dem sie
die Gunst einer Dirne teilten ... und auf seinem Schiff, als sie die Straße von
Sunda durchqueren wollten, ein steifer Nordostwind direkt hinter ihnen,
Montgomery grinsend an seiner Seite. Später, als das Schiff an Java vorbei und
in den Indischen Ozean gefahren war, hatten sie einen Krug Rum geteilt, um zu
feiern, dass sie das Chinesische Meer hinter sich gelassen hatten und auf dem
Heimweg waren ...
»Alexi«,
sagte sein Vater.
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