Brenda Joyce
war
schweißgebadet. Einen Moment lang war sie vor Entsetzen vollkommen reglos. In
diesem Augenblick dachte sie, sie wäre wieder auf der Terrasse von Windhaven.
Sie sah zu Boden und erwartete, den amerikanischen Navigator tot am Boden
liegen zu sehen. Stattdessen fiel ihr Blick auf ihre geblümten rosa Decken und
ihr elfenbeinfarbenes Nachthemd.
Bebend
holte sie Atem. Sie lag in ihrem eigenen Bett, in ihrem Schlafzimmer, und es
war dunkel. Sie versuchte, ruhiger zu atmen, doch ihr Herz schlug immer noch
viel zu schnell. William Montgomery war tot, und das war allein ihre Schuld!
Das
schlechte Gewissen quälte sie. Hatte Alexi ihr nicht immer und immer wieder
gesagt, sie sollte nicht mit Montgomery spielen? Hatte sie seine Warnungen
nicht in den Wind geschlagen, nur um ihn zu ärgern? Hatte sie nicht sogar
insgeheim gehofft, ihn eifersüchtig machen zu können?
Und doch
hatte sie Montgomery gemocht. Sie hatte doch gewollt, dass er ihr den Hof machte,
oder etwa nicht? Sie hatte seine Aufmerksamkeiten genossen, bis zu diesem
schrecklichen Kuss ...
Jetzt
überkamen die Erinnerungen an den Abend sie mit erschreckender Klarheit. Die
Männer hatten Windhaven verlassen, um Williams
Leichnam im Meer zu versenken – um die Tatsache, dass er tot war, zu
verheimlichen. Ihre Mutter hatte sie nach Hause gebracht. Sie hatten das Haus
durch die Küche verlassen, um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Während
der Fahrt nach Hause hatte Virginia nicht versucht, mit ihr zu reden, aber sie
hatte sie im Arm gehalten in dem vergeblichen Bemühen, sie zu trösten. Elysse
hatte nicht mehr geweint, war aber wie benommen gewesen und hatte nur aus dem
Kutschenfenster gestarrt, innerlich kalt wie Eis.
William
Montgomery war tot – und das war ihre Schuld.
Wie hatte
das passieren können?
Elysse
hatte nicht ins Bett gehen wollen – sie hatte mit ihrem Entsetzen und ihrem
schlechten Gewissen nicht allein sein wollen. So hatte sie bei ihrer Mutter
gesessen, heiße Schokolade getrunken, schweigend, während das Feuer knisterte.
Doch ihr war immer noch kalt gewesen, und sie hatte sich nicht vorstellen
können, dass das jemals wieder anders werden würde. Virginia versuchte nicht,
mit ihr zu plaudern, und dafür war Elysse ihr dankbar. Aber die Ereignisse des
Abends gingen ihr wieder und wieder im Kopf herum. Um halb vier hatte sie ihre
Mutter ins Bett geschickt. Elysse dagegen konnte noch immer nicht schlafen. Sie
hatte sich die Decke bis unter das Kinn gezogen und ins Leere gestarrt, wo sie
Alexi und Montgomery kämpfen sah, zusah, wie Montgomery hinfiel, hörte, wie
sein Schädel brach, während sie wünschte, diese Nacht hätte es nie gegeben.
Wenn sie
die Augen schloss, wurde es noch schlimmer. Dann sah sie beinahe jede Minute
der vergangenen Woche lebhaft vor sich, denn ihre Flirts hatten zu Montgomerys
Tod geführt. Sie sagte sich immer wieder, dass es ein Unfall gewesen war, aber
sie wusste es besser – es war ihr Fehler gewesen, ihr Fehler ganz allein ...
Ich
werde nie zulassen, dass dir jemand wehtut – ich wollte ihn töten ...
Sie
umklammerte die Bettdecken und kniff die Augen zusammen. War Alexi endlich auf
Windhaven, lag in seinem Bett und hatte Montgomery ein Seemannsbegräbnis
gegeben? War ihm bewusst, dass das ganz allein ihre Schuld war? Würde er sie
wieder beschützen, wenn er das noch einmal tun müsste?
Zitternd
warf sie die Decken zur Seite und sprang aus dem Bett. Was geschehen war, würde
sie für den Rest ihres Lebens bedauern, nie wieder würde sie so leichtsinnig
und selbstsüchtig sein. Nicht, dass
sie dazu noch einmal die Gelegenheit bekäme. Denn jetzt war sie ruiniert.
Elysse ging
zum nächsten Fenster und zog die. schweren Vorhänge zur Seite. Draußen schien
strahlend hell die Sonne, es gab nur wenige kleine weiße Wolken. Es war
mindestens später Vormittag, wenn nicht sogar schon Mittag. Sie fragte sich,
ob sie sich den ganzen Tag in ihrem Zimmer verstecken sollte.
Beinahe
hätte sie gelacht. Inzwischen würde der gesamte Südwesten Irlands wissen, dass
sie sich in der vergangenen Nacht mit einem Mann intim eingelassen hatte. Jede
Lady im County, die sie sah, würde zu ihr kommen unter dem Vorwand, sie
begrüßen zu wollen, aber tatsächlich, weil sie auf alle schmutzigen
Einzelheiten neugierig war. Aber sie würde den Klatschbasen nicht aus dem Weg
gehen können, indem sie einfach zu Hause blieb. Heute würden viele Besucher
vorsprechen. Jede ihrer Freundinnen würde wissen wollen, mit
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