Brenda Joyce
»Das würde ich mir um
nichts in der Welt entgehen lassen.« Er wandte sich wieder an Elysse. »Sie
werden uns am Morgen begleiten, nicht wahr?«
Elysse war
so überrascht, dass sie ihn beinahe mit offenem Mund angestarrt hätte.
Blair
schlenderte um den Tisch herum und stellte sich neben sie. »Ich werde sie mit
Vergnügen persönlich begleiten.«
Ihr Herz
schlug jetzt so schnell, dass ihr beinahe schwindelig wurde. Natürlich hatte
sie nicht vor, dorthin zu gehen. Eine öffentliche Wiederbegegnung war viel zu
gefährlich – der Schein, den sie seit ihrer Heirat gewahrt hatte, könnte
zerstört werden.
Blair
berührte ihren Ellenbogen wie bei einer sanften Liebkosung. »Sie scheinen ein
wenig – beunruhigt«, sagte er.
»Ich bin
nicht beunruhigt.« Es überraschte sie selbst, wie kompetent sie klang.
Sie war jetzt sehr geschickt darin, eine perfekte Fassade aufrechtzuerhalten,
und sie war entschlossen, damit fortzufahren. »Ich hoffe sehr, dass mein Mann
das Rennen gewinnt und die besten Preise für unseren Tee festsetzen kann.«
»Nun,
abhängig vom Wind sollten sie etwa morgen Mittag in der Stadt eintreffen. Ich
hole Sie um halb elf ab.«
Und Elysse
begriff, dass es keine Möglichkeit für sie gab, nicht zum Hafen zu gehen und
darauf zu warten, dass ihr Ehemann aus China zurückkehrte.
Achtzehn ihrer dreiundzwanzig Gäste trafen
sich am nächsten Morgen am Hafen, außerdem eine größere Menge Londoner Bürger,
etwa vier- oder fünfhundert. Am Tag zuvor hatte sich die Nachricht über die
Ankunft der Klipper wie ein Lauffeuer verbreitet. Die Ankunft der ersten
großen Schiffe der Saison zu beobachten, das war sowohl Vergnügen als auch
Geschäft. In der Menge befanden sich zuallererst die Händler, die den Tee in
dem Moment seiner Ankunft überprüften, noch ehe die Schiffe entladen waren,
und Proben an ihre Kunden schickten, bevor sie die Verträge abschlossen. Elysse
hatte gehört, dass sowohl einfache Männer und Frauen als auch die feine
Gesellschaft der Ankunft der Schiffe erwartungsvoll entgegenzusehen pflegten,
aber ihr war nicht bewusst gewesen, wie aufgeregt die Zuschauer sein würden
oder wie festlich die Stimmung wäre. Selbst Kinder waren da und warteten, die
meisten von ihnen Straßenkinder. Sie alle kreischten und liefen durcheinander.
Alexi
kommt nach Hause.
Sie konnte
es kaum glauben. Sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, trotz der
zweieinhalb großen Brandys, die sie getrunken hatte, nachdem ihre Gäste
gegangen waren.
Elysse war
zu klug, um eine Migräne vorzutäuschen. Blair würde so etwas sofort
durchschauen.
Sie hatte
sich sorgfältig angekleidet, ganz in Blau und Aquamarin. Um ihren Teint vor der
Sonne zu schützen, trug sie einen Sonnenschirm mit elfenbeinfarbenen Streifen.
Sie wollte so gut wie möglich aussehen. Blair holte sie genau zur vereinbarten
Zeit ab, und sie brauchten fünfundvierzig Minuten, um zum Hafen zu fahren.
Während der Fahrt hatten sie über den vergangenen Abend und das Wetter
geplaudert. Es war ihr sehr schwergefallen, Haltung zu bewahren.
Was in der
Vergangenheit auch geschehen sein mochte – ungeachtet der Umstände, unter
denen sie geheiratet hatten – Alexi hätte schon vor Jahren zu ihr zurückkehren
sollen und seine Pflichten als ihr Gemahl aufnehmen müssen. Sie dachte nicht
oft an William Montgomery, aber sie würde niemals vergessen, was in jener
Woche und an jenem Abend passiert war. Gelegentlich hatte sie noch Albträume. Danach
erinnerte sie sich daran, dass sie Montgomery nie etwas Böses gewünscht hatte
und dass sie alle drei an seinem Unfalltod eine gewisse Schuld trugen. Sie war
mittlerweile erwachsen genug, um zu bedauern, wie verwöhnt, selbstsüchtig und
entsetzlich jung sie gewesen war, aber sie war jetzt klug genug, um sich ihre
Rolle bei seinem Tod zu verzeihen. Am Jahrestag seines Todes zündete sie Kerzen
für ihn an und fragte sich, ob Alexi wohl dasselbe tat, irgendwo in einem
fremden, exotischen Hafen. Nach allem, was geschehen war, hatte Alexi ein Recht
darauf, böse mit ihr zu sein. Montgomery war sein Navigator gewesen, sein
Schiffskamerad und sein Freund, und Elysse hatte ihn absichtlich getäuscht.
Aber Alexi hatte kein Recht, sie so im Stich zu lassen, wie er es getan hatte.
Er hatte entschieden, sie unter schwierigen Umständen zu heiraten, und er
schuldete ihr mehr als ab und zu ein paar Pfund. Sie brauchte mehr als seinen
Namen und seinen Reichtum: Sie brauchte einen Ehemann!
Falls sie
ihn einmal geliebt
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