Brenda Joyce
Ehemann?«, fragte Lord
Worth noch einmal nach. »Wird er bald zurückkehren?«
Elysse
lächelte den untersetzten Baron an. »Ich denke, er sollte jetzt jeden Tag in
London eintreffen, denn am achten Dezember hat er Kanton verlassen.« Diese
Information hatte ihr Vater beiläufig erwähnt. Wie immer hatte sie ihm dafür
gedankt und erklärt, dass sie darauf wartete, dass Alexi nach Hause kam.
Devlin
hatte sie traurig angesehen. Sie konnte so tun, als wäre alles in Ordnung, aber
ihre Familie ließ sich nicht von ihr täuschen. Von dem Augenblick an, da Alexi
sie nach der Hochzeit verlassen hatte, hatten sie gewusst, dass sie tief
verletzt war und dass selbst ein sorgenfreies Leben sie davon nicht ablenken
konnte. Zum Glück waren sie zu höflich, um sie direkt nach der Situation ihrer
Ehe zu fragen. Nur Ariella und ihre Mutter mischten sich ein. Eigentlich
ständig. Jedes Mal, wenn sie eine der beiden traf, lautete ihre erste Frage, ob
sie etwas von Alexi gehört hatte. Sie lächelte dann immer und tat so, als wäre
es nicht wichtig, dass sie nichts gehört hatte.
In den
ganzen sechs Jahren hatte es keinen weiteren Brief gegeben.
»Es ist
erst der zehnte März«, sagte Blair. »Wenn er es wieder in einhundertdrei Tagen
schafft – und die Chancen dafür stehen nicht gut – dann wäre er morgen
zurück.«
Elysse sah
ihn an, ohne ihre Miene zu verändern. Doch jetzt lag Spannung in der Luft. Er
würde bald in London eintreffen. Zum ersten Mal seit ihrer Hochzeit würde auch
sie in der Stadt sein, wenn er kam. Zum ersten Mal seit sechs Jahren würden
ihre Wege sich kreuzen.
Unglücklicherweise
war er inzwischen so etwas wie ein Nationalheld geworden. Das ganze Land
schien ihn für den kühnsten Handelsschiffer auf der Chinaroute zu halten. Die
East India Company hatte ihr Handelsmonopol 1834 verloren, und Alexi war in den
Teehandel eingestiegen mit dem festen Vorsatz, jeden möglichen Rivalen
auszuschalten. Im Jahr ihrer Hochzeit hatte er nur für den Handel einen Klipper
bauen lassen, ein Segelschiff mit weniger Frachtraum und einer schlankeren Form
für mehr Geschwindigkeit. Im Jahr 1837 hatte die Coquette einen neuen
Rekord für die Heimreise aufgestellt – einhundertdrei Tage. Dieser Rekord
stand ungebrochen. In den letzten zwei Jahren war die Coquette immer die
Erste gewesen, die mit ihrer kostbaren Ladung im Hafen eingelaufen war.
Das erste
Schiff, das den Hafen erreichte, würde für den Tee den besten Preis bekommen.
Jeder wusste das.
Alexi
konnte jeden Tag eintreffen.
Ihre
Spannung stieg ins Unerträgliche. Sie war Devlin O'Neills Tochter und in guten
wie in schlechten Tagen Alexi de Warennes Ehefrau. Sie hielt ihn nicht für
tollkühn, ganz und gar nicht. Sie wollte genauso wie Alexi selbst, dass er der
erste Kapitän war, der im Hafen anlegte, mit dem besten schwarzen Tee, um die
Preise zu bestimmen.
Sie
versuchte, die Gerüchte und den Klatsch über ihn zu ignorieren. Aber das war
nicht leicht. Oftmals wurde sie von den verschiedensten Gentlemen angesprochen,
die fragten, ob es denn wahr wäre: Hat ihr Ehemann sich mit einem
rivalisierenden britischen Kapitän in Batavia duelliert? Hat er eine
Mannschaft gerettet, die vor den Kapverdischen Inseln Schiffbruch erlitten
hatte? Hat er bei einem Pokerspiel in Gibraltar eine Zuckerplantage auf den
Gorees gewonnen?
Als ob sie
so etwas wüsste!
Wenn sie
wollte, könnte sie in die Londoner Büros von Windsong Shipping gehen und sich
über seine aktuellen Geschäfte informieren, herausfinden, wo er kürzlich
gewesen war und was er tat. Aber sie weigerte sich, ihm hinterherzuspionieren.
Würde sie eine richtige Ehe führen, dann würde er ihr Briefe schreiben, ihr
berichten von dem, womit er sich beschäftigte und was er tagaus, tagein machte.
Sie ging niemals in die Londoner Büros. Stattdessen tat sie so, als wüsste sie
über ihn Bescheid. Gelegentlich erfand sie Geschichten. Sie versuchte, sich so
eng an die Wahrheit zu halten wie nur möglich, indem sie sich auf die
Einzelheiten berief, die seine Stiefmutter und Ariella bei ihren Besuchen
erwähnten.
Aber sie
hatte es satt, so zu tun, als wäre alles in Ordnung, als wäre sie stolz auf
ihren Mann, der zur See fuhr ... Als wäre nichts Ungewöhnliches daran, dass er
dreihundertfünfzig Tage im Jahr unterwegs war.
Aber sie
hatte keine andere Wahl. Niemand durfte je erfahren, dass ihr eigener Mann sie
verachtete – dass ihr eigener Mann sie nicht wollte –, dass er sich weigerte,
die Ehe zu
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