Brenda Joyce
hatte, so tat sie das jetzt nicht mehr. Aber sie blieben
verheiratet, und das bedeutete, dass sie Zeit miteinander verbringen mussten.
Sie hatte
sich die ganze Nacht schlaflos hin und her gewälzt und über seine Rückkehr
nachgedacht. Sie rechnete nicht mit einem Neuanfang; sobald er erkannte, dass
sie in London war, würde er zweifellos die Stadt verlassen. Aber sie mussten
ein anderes, befriedigenderes Arrangement treffen. Es war Zeit, dass Alexi sie
als seine Frau anerkannte. Er konnte ihr nicht so aus dem Weg gehen, wie er es
bisher getan hatte. Sie mussten nicht viel gemeinsam machen, aber von Zeit zu
Zeit müsste er sich öffentlich an ihrer Seite zeigen. Das würde er doch
bestimmt schaffen!
Kurz bevor
sie am Hafen eintrafen, hatte Blair unumwunden gefragt: »Müssen wir unsere
Bekanntschaft verheimlichen, solange Ihr Gemahl zu Hause ist?«
Es fiel ihr
nicht schwer, Blair darauf zu antworten. Sie war Expertin darin, ihre Verehrer
zu ermutigen und doch gleichzeitig Grenzen zu setzen, ohne auch nur einen
Zentimeter nachzugeben. Sie hatte nicht vor, abends ohne einen gut aussehenden,
aufmerksamen und eleganten Begleiter auszugehen. Blair war der bei weiterem
Interessanteste all ihrer Verehrer, und sie mochte ihn gern.
»Mein Mann
ist die meiste Zeit über auf See. Wir haben ein sehr praktisches
Arrangement.« Sie würde die Beziehung, die sie mit Blair aufgebaut hatte,
kaum für eine kurze Begegnung mit Alexi aufgeben.
»Das hatte
ich gehofft«, sagte er. »Aber Sie wirken heute sehr angespannt.«
Sie wandte
sich ab. Sie konnte sich nicht vorstellen, was geschehen würde, wenn sie und
Alexi einander von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. Aber sie war fest
entschlossen, ihre Würde und ihren
Stolz zu wahren. Sie hoffte, dass auch er erwachsener geworden war und ebenso gefasst
sein würde bei seiner Rückkehr. Sie verspürte keinen Wunsch, die schlimmen
Vorwürfe der Vergangenheit erneut vorgehalten zu bekommen. In gegenseitigen
Schuldzuweisungen lag kein Sinn. »Ich freue mich auf das Rennen und bin
aufgeregt«, murmelte sie, obwohl ihr nichts gleichgültiger sein könnte.
»Die Coquette transportiert ein Vermögen.«
»Und hat er
das Schiff nach Ihnen benannt?«
Elysse
hatte gelächelt, aber nicht geantwortet. Vermutlich hatte er das Schiff nach
einer seiner Mätressen benannt. Niemals würde er ein Schiff nach ihr benennen.
Jetzt
standen sie am Rande der Mole, wo sie die einlaufenden Schiffe gut sehen
konnten. Die meisten ihrer Gäste vom vergangenen Abend waren bei ihr. Viele
Schiffe lagen hier vor Anker, aber es waren keine Segelschiffe für den
Chinahandel darunter. In der Nähe stand Cliff de Warenne, zusammen mit einer
Gruppe von Gentlemen. Sie hätte sich am liebsten versteckt.
Blair
drehte sich um und folgte ihrem Blick. »Ah, Ihr Schwiegervater.«
Elysse biss
sich auf die Lippen. Ihre Beziehung zur Familie de Warenne war angespannt. Sie
war sicher, Ariella wusste, dass sie ihrem Ehemann treu geblieben war, aber
Alexis Schwester weigerte sich, in diesem Krieg eine Seite zu wählen.
Gelegentlich hatte sie bei dem einen oder anderen Anlass zufällig Cliff und
seine Frau getroffen. Amanda war stets sehr freundlich und entgegenkommend,
aber Cliff schien nie froh zu sein, sie zu sehen, vor allem nicht, wenn einer
ihrer vermeintlichen Liebhaber sie begleitete.
Doch er
blieb ein Gentleman. Cliff hatte sie gesehen. Er hob eine Hand und nickte ihr
zu. Elysse brachte ein Lächeln zustande und winkte zurück.
»Es scheint
ein guter Tag zum Segeln zu sein«, meinte Blair. Er nahm ein kleines
Fernglas aus seiner Tasche und blickte hinaus aufs Meer.
Sie sah zum
Himmel, sah die vielen, schnell vorüberziehenden Wolken, weiß wie die
Schaumkronen auf den Wellen. »Ich denke, es ist eine frische Brise von siebzehn
oder achtzehn Knoten.«
Er reichte
ihr das Fernglas. »Am Horizont sind zwei Schiffe zu sehen.«
Zitternd
nahm Elysse das Glas und hob es an die Augen. Sie hatte die Coquette nie
mit eigenen Augen gesehen, aber sie kannte die Skizzen und Zeichnungen aus der
Zeit, in der sie entworfen wurde. In dem Moment, da sie das Schiff sah, holte
sie tief Luft. »Ich nehme an, das ist Ihr Mann?«
Sie sah
durch das Glas die feine, schlanke Silhouette der Co quette und ihre
geblähten Segel. »Ja«, sagte sie und ließ das Glas sinken. »Ich schätze,
er wird in weniger als einer Stunde hier sein. Die Entfernung täuscht, und er fährt
unter vollen Segeln.«
»Und das
zweite Schiff?«
Elysse
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