Brenda Joyce
um dann umso
schneller weiterzuschlagen.
Einerseits
war ein Teil von ihm sehr zufrieden, dass sie Zeugin seines größten Triumphes
geworden war. Und andererseits war er wütend, dass sie es gewagt hatte, dorthin
zu kommen.
Ihretwegen
hatte er einen Mann getötet.
Er fluchte.
Er war ein sehr leidenschaftlicher Mensch. Alles, was er tat, machte er mit
großer Hingabe und vollem Einsatz. Nachdem das Entsetzen über Montgomerys Tod
verebbt war, hatten Schuldgefühle und Verzweiflung eingesetzt.
Bis Elysse
O'Neill zwischen sie getreten war, waren sie Freunde gewesen.
In den
Wochen, die auf den Unfall folgten, hatte er nicht klar denken können. Als sie
in der Kirche durch den Mittelgang auf ihn zugekommen war, war er voller Zorn
gewesen, auf sie wie auch auf sich selbst. In den Jahren, die seit ihrer
Hochzeit und Montgomerys Tod vergangen waren, hatte er gelernt, seine
Schuldgefühle zu verdrängen und die Erinnerungen an jene Wochen ebenso. Es war
zu schwierig und zu schmerzlich, daran zurückzudenken.
Aber hin
und wieder, meistens in der Nacht, wenn er allein am Steuer der Coquette unter
dem funkelnden Sternenhimmel stand, dann
kehrten die Erinnerungen daran plötzlich zurück. Dann dachte er an jenen
Moment, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, und an die Freude, die er
damals empfand. Dann erinnerte er sich an die Ballnacht, an ihre Verehrer, und
an den Kampf auf Leben und Tod. Nie würde er den Anblick von Elysses
tränenüberströmtem Gesicht vergessen. Dann fiel es ihm schwer, die
Erinnerungen beiseitezuschieben ...
Aber als
sie am Hafen auf ihn gewartet hatte, waren alle diese Erinnerungen wieder auf
ihn eingeströmt. Verdammt, er hatte gehofft, sie nie mehr wiederzusehen. Er
hatte weite Umwege auf sich genommen, um die alten Wunden nicht wieder
aufzureißen. Er war fest entschlossen, sie zu meiden.
Aber sie
war seine Frau.
Er hatte
sie geheiratet, um ihren Ruf zu schützen. Wenn es darum ging, Elysse zu
beschützen, so hatte er keine Wahl. Vielleicht war er nicht zu der Heirat
gezwungen worden, aber jetzt war er zur Ehe gezwungen – eine Verbindung, für
die er nicht bereit war, die er nicht gewollt hatte und noch immer nicht
wollte!
Der Ruf
seiner Frau war so berüchtigt wie sein eigener. Sie war Londons bekannteste
Verführerin ...
Beinahe
hätte er gelacht, aber es war nichts Komisches daran. Nie hätte er sich
vorstellen können, dass Elysse O'Neill Londons größte Lebedame werden würde. Er
fluchte und stöhnte dann auf, als sein Kopf wieder zu schmerzen begann. Aber
hatte sie nicht schon immer gern kokettiert?
Elysse de
Warenne, die Königin der feinen Gesellschaft, ging niemals ohne einen ihrer
Liebhaber aus ...
Er begann
auf und ab zu schreiten. Von allen ihren Liebhabern hatte er schon gehört. Er
hatte es sich zu seiner Aufgabe gemacht, stets zu wissen, wer ihre Begleiter
waren. Und wenn er sich in der Stadt aufhielt, dann waren seine Freunde und seine
Feinde gleichermaßen bemüht, ihm Namen zu nennen. Nur seine Cousins schienen
sehr zurückhaltend zu sein.
Sie schlief
mit seinem Bankier. Er konnte es kaum fassen. Sie musste geplant haben, ihn in
irgendeiner Weise zu verletzen, so wie sie es bei Montgomery getan hatte. Warum
sonst sollte sie die Affäre öffentlich machen, indem sie Thomas Blair zum Hafen
mitbrachte?
Er kannte
Elysse besser als jeder andere. Sie war eitel und selbstsüchtig, verwöhnt und
umschwärmt. Sie war an männliche Aufmerksamkeit
so gewöhnt, dass sie es kaum aushielt, wenn diese fehlte. Nichts hatte sich
geändert. Sie führte Thomas Blair an der Nase herum und genoss es, sich ihm
hinzugeben. Bald schon würde sie mit Baard Janssen spielen und auch ihn in ihr
Bett holen. Er dachte daran, sie zu warnen, denn der Däne war nicht vertrauenswürdig
und kein Ehrenmann. Aber sie würde nicht auf ihn hören ...
Was hatte
denn nicht mit ihm gestimmt gestern Abend?
Er
erinnerte sich an die Episode im Hinterzimmer von Windsong Shipping mit
erschreckender Deutlichkeit und konnte es kaum fassen. Er verachtete seine
Ehefrau. Er wollte die Vergangenheit vergessen – alles davon. Sie waren keine
Freunde – sie würden es auch nie mehr sein. Auf den kleinen stechenden Schmerz,
den er bei diesem Gedanken empfand, achtete er nicht. Er wollte nicht
verheiratet sein, weder jetzt noch später. Der Kindertraum war nicht mehr als
genau das – das naive Wunschdenken eines kleinen Jungen.
Und doch
hatte er am vergangenen Abend Verlangen empfunden. Schlimmer noch, er
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