Brenda Joyce
beseitigt?«
»Was bleibt
mir anderes übrig?«
»Sie würden in Kauf nehmen, dass er für Sie ein Verbrechen begeht
– einen Mord?«, schrie Francesca bebend.
»Es gibt keinen anderen Ausweg!«, schrie Lucy
zurück.
»Das werde ich niemals zulassen!«, stieß
Francesca hervor. Sie vermochte kaum einen klaren Gedanken zu fassen – sie
wusste nur, sie musste um jeden Preis verhindern, dass Lucy Calder derart
benutzte. In diesem Moment hasste sie ihre neue Freundin.
»Ich brauche Sie wohl kaum um
Erlaubnis zu fragen, wenn ich meinen Bruder um etwas bitten will«, versetzte
Lucy kalt.
Francesca war sprachlos. Konnte
sie verhindern, dass Calder Lucy zu Hilfe kam – in einer solch furchtbaren,
entsetzlichen, durch und durch falschen Weise?
In einer Weise, die ihm zum Verhängnis werden würde? Er würde
zum Mörder werden.
»Ich störe wohl?«
Francesca
fuhr herum. Auf der Schwelle stand Hart.
Kapitel 13
SONNTAG,
16. FEBRAUR 1902 – 23 UHR
Es war geradezu unheimlich, dass er ausgerechnet in diesem
Moment auftauchte. Francesca sah ihm voller Unbehagen entgegen.
Er erwiderte ihren Blick eindringlich, ehe er sich lächelnd Lucy
zuwandte. »Ihr beide seid ziemlich laut – was in der Eingangshalle einige
Besorgnis erregt.«
Francesca fuhr entgeistert zusammen – hatte man ihren Wortwechsel
womöglich verstanden? Und was hatte Hart mitbekommen? Lucy schien dasselbe zu
denken. Sie rannte auf ihren Stiefbruder zu. »Haben die anderen gehört, worüber
wir gestritten haben?« Sie zog ihn so heftig am Ärmel, dass die Nähte seines
Jacketts spannten.
Er musterte sie erneut mit unerschütterlicher Fassung. »Die Türen
sind recht massiv – nein, ich glaube nicht, dass der Wortlaut der
Auseinandersetzung tatsächlich zu verstehen war. Aber ich habe zufällig beim
Hereinkommen den einen und anderen Satz aufgeschnappt. Was ist das, Lucy, wovon
Francesca nicht zulassen will, dass du mich darum bittest?« Wieder ließ er den
Blick auf Francesca ruhen.
Diese eilte zu ihm. Am liebsten hätte sie
sich zwischen ihm und Lucy aufgebaut. »Calder, es ist schon so spät. Sollten
Sie nicht längst auf dem Heimweg sein?« Verzweifelt lächelnd fügte sie hinzu:
»Rourke kann doch sicher Lucy ins Hotel zurückbringen?«
»Ein Buch, Francesca«, raunte er ihr zu, ehe
er in normalem Ton fortfuhr: »Ich bringe Lucy zum Plaza
zurück. Rourke spielt wieder einmal Doktor – er möchte noch bei den Channings
vorbeischauen und hat sich darum eine Mietdroschke genommen.«
Francesca starrte voller Unbehagen vor sich hin. Hart und Lucy
allein in seiner Kutsche? Sie würde ihn um Hilfe bitten, und Francesca würde
nicht dabei sein, um einzuschreiten.
Sie versuchte sich zu beruhigen – Hart würde gewiss nicht losstürzen
und Craddock ermorden, sobald Lucy ihn darum bat. Vermutlich würde er die
Ausführung der Tat eher einem gedungenen Mörder überlassen.
Eine wirkliche Erleichterung empfand Francesca
dennoch nicht. In ihrem Kopf begannen blutrünstige Bilder herumzuspuken.
»Wir sollten gehen, es ist spät!«, rief Lucy
mit einem Blick zu Francesca – einem gehetzten Blick aus verzweifelten, verängstigten
Augen. Darin lag eine Warnung, Francesca möge sich aus Dingen heraushalten, die
sie nichts angingen. So rasch hatte sich ihre Freundschaft also in nichts
aufgelöst – ab sofort würde Lucy nicht zulassen, dass Francesca sich ihr in den
Weg stellte.
»Francesca?« Harts Samtstimme umfing sie
weich.
Sie fasste seine Hände. Ihr schwirrte der Kopf. »Was, wenn ich
sagte, ich würde gern mit Ihnen einen Scotch trinken, draußen im Mondschein –
allein?«
Er stutzte. »Wollen Sie mich etwa verführen, um zu verhindern,
dass ich Lucy zum Hotel zurückbringe?«
Natürlich hatte er ihre Absichten erraten. Sie unternahm keinerlei
Versuch zu leugnen. »Ja.«
Er starrte sie einen Moment lang schweigend an, ehe er bemerkte:
»Das ist höchst verlockend, Francesca.«
Sie brachte kein Wort heraus.
»Ich weiß nicht, was Ihnen solche Angst macht, aber ich kann es
mir denken.« Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. »Offenbar geht es um Rick.
Oder um Leigh Anne. Was Lucy von mir will, ahne ich allerdings nicht. Ängstigen
Sie sich nicht, Francesca. Ihre Probleme sind nicht so gewaltig, wie sie Ihnen
selbst erscheinen. Schließlich und endlich bringt das Leben so manches wieder
ins Lot.«
Sie war den Tränen nahe. Im Geiste sah sie Hart vor sich, einen
rauchenden Revolver in der Hand. Im nächsten Moment sah sie ihn in
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