Brenda Joyce
entzünden, aber ihre
Hände zitterten zu sehr. Sie hatte ein finsteres Begreifen in seinen Augen
gelesen.
Catherine vernahm ein knarrendes, vertrautes Geräusch von den
eichenen Dielenbrettern im Salon. Sie erstarrte. Dieses Mal rief sie nicht nach
ihrer Mutter.
Da
war niemand in der Wohnung. Das war nur eine Maus.
Sie schlüpfte aus dem Bett, nur mit einem Baumwollnachthemd
bekleidet, das lange, rotbraune Haar zu einem Zopf geflochten. Jetzt bedauerte sie, dass sie Miss Cahill und dem
Commissioner nicht erzählt hatte, was – und vor allem wen – sie beobachtet
hatte.
Denn
sie hatte ihn sofort erkannt.
Ebenso,
wie er sie erkannt hatte.
Und es gab nur eine Erklärung für die Maske, die er getragen
hatte, als er das Gebäude verließ. Er war der Mörder von Grace Conway. Es war
einfach zu entsetzlich, um es in Worte zu fassen.
Sie hatte sich immer wieder gefragt: Warum? Welchen Grund
mochte er nur gehabt haben? Denn sie wusste, dass er nicht verrückt war.
Oder vielleicht doch?
Ihr Mund war trocken. Catherine verharrte, um
einen Schluck Wasser aus dem angeschlagenen Becher zu trinken, den sie neben
ihrem schmalen Bett stehen hatte. Dabei wandte sie der Zimmertür den Rücken
zu.
Seine Hände legten sich um ihren Hals.
»Schreien ist sinnlos.«
Sie schnappte nach Luft, denn er würgte sie und in dem Augenblick
wurde ihr klar, dass er beabsichtigte, sie auf die gleiche Weise umzubringen
wie Miss Conway. »Nein«, keuchte sie.
Seine Hand legte sich auf ihren Mund und er drückte sie gegen die
Wand, wobei er mit der anderen Hand weiterhin einen unerträglichen Druck auf
ihre Kehle ausübte. Sie bekam keine Luft. Er würgte sie zu Tode. Und dann
erstarrte sie und unwillkürlich entwich ihr ein heiserer Laut, als er seine
erregte Männlichkeit gegen ihr Hinterteil presste. Er begann sich langsam an
ihr zu reiben.
Jetzt erfasste sie eine schreckliche Angst, vergewaltigt zu
werden. Vergewaltigt und ermordet ... Großer Gott, dann wollte sie lieber
gleich sterben!
»Gefällt dir das?«, fragte er mit belegter Stimme und presste
sich noch fester an sie. »Du magst das doch, stimmt's, du Hure? Ihr seid doch
alle Huren.«
Da sie keine Luft bekam, unfähig war zu sprechen, flehte sie ihn
stumm an, Mitleid mit ihr zu haben, Erbarmen zu zeigen, sie am Leben zu lassen.
Er begann ihr zu erzählen, was er gern alles mit ihr anstellen
würde – bloß dass sie es nicht wert sei. Aber eine undurchdringliche
Dunkelheit umfing sie langsam und schon bald drangen seine Worte nicht mehr in
ihr Bewusstsein. Sie flehte Gott an, ihr Leben zu verschonen.
Etwas Seidenes legte sich wie ein Flüstern um
ihre Kehle.
Ihr letzter Gedanke war, dass ihre Gebete
erhört worden waren.
Kapitel 11
DONNERSTAG, 20. FEBRUAR 1902 – 22:00 UHR
Francesca war müde. Es war ein langer und schwieriger Tag
gewesen. Hart hatte ihr eine Kutsche zur Verfügung gestellt, die sie und Ellie
zur Villa ihrer Eltern bringen sollte, und es war auch ursprünglich ihre
Absicht gewesen, direkt nach Hause zurückzukehren, doch dann hatte sie dieses
Vorhaben wieder verworfen. Es war zwar bereits
spät, aber sie war durchaus schon zu späterer Stunde bei Bragg vorbeigefahren, und er wusste schließlich immer noch
nichts von ihrer Unterhaltung mit Bertrand
Hoeltz und dass Melinda Neville seine Geliebte war. Bragg wohnte am
Madison Square Nummer elf, nur einen Steinwurf weit vom Madison Park entfernt.
Francesca wollte Ellie gerade bitten, auf sie
zu warten, und ihr versichern, dass es nicht allzu lange dauern werde, doch die
Frau war neben ihr auf dem Sitz eingeschlafen, eingehüllt in einen schweren
Umhang, den ihr Grace Bragg geliehen hatte.
Francesca lächelte in sich hinein, während sie aus der Kutsche
stieg. Sie war froh, dass sie eine gute Tat tun und einem Menschen helfen konnte, der in Schwierigkeiten steckte. Sie
wies den Kutscher an zu warten. »Ich vermute, dass ich nicht länger als zwanzig
Minuten benötigen werde.«
Francesca eilte den kurzen Steinweg zu Braggs
Haus hinauf. Das Gebäude war einige Jahrzehnte alt und typisch
viktorianisch: Es hatte ein Giebeldach, die Fassade war aus Ziegelstein, die
Zimmer darin waren klein, das Treppenhaus schmal. Auf ihr Klopfen hin öffnete
Peter, Braggs Dienstbote, unverzüglich die Tür.
Francesca lächelte ihn an. Er war Schwede, ein Riese von einem
Mann, beinahe zwei Meter groß und muskelbepackt.
Francesca wusste, dass er eine Art Faktotum war – Butler, Kammerdiener, Koch
und Wirtschafter in einer
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