Brennaburg
sicherlich übervölkerte Burg. Dort würde man vermutlich schlimmer darben müssen als bisher, hier hingegen hatte man alles, was das Herz begehrte; befanden sich doch in den Kellern Dinge, die man sogar an Feiertagen nicht immer zu essen kriegte. Und nichts würde einen daran hindern, soviel zu nehmen, wie man wollte … Ein Strafgericht? Man würde sehen. Vielleicht traf es sich, daß der Meier im Kampf getötet wurde. Blieb er aber am Leben – nun, mehr als Prügel würde es wohl kaum setzen, und an die war man ja gewöhnt.
Und so beschlossen die Knechte und Mägde in seltener Eintracht, die ihnen unverhofft geschenkte Freiheit wenigstens einen Tag lang bis zur Neige auszukosten. Sie erklärten den Bauern, daß sie deren Hilfe nicht brauchten, beluden, als diese fort waren, vorsichtshalber die Fuhrwerke, öffneten danach die Keller und begannen, an Ort und Stelle zu schlingen. Gepökeltes stopften sie in sich hinein, hartgekochte Eier, eingelegte Pilze, Gänsefett und Honig, tranken Bier dazu, erbrachen sich und schlangen weiter, schweigend zumeist, ohne sich eine Pause zu gönnen und vor Kälte zitternd.
Bis zum Morgen dauerte die Prasserei an, dann übermannte die Leute der Schlaf. Gegen Mittag wurden sie von den Klängen eines Horns geweckt. Sich die erstarrten Glieder massierend, lauschten sie den Tönen. Gar jämmerlich hörten sich diese an, wie das Quäken eines Säuglings, und alle begriffen, daß da kein geübter Bläser am Werke war, sondern jemand, der sich entweder einen Scherz erlaubte oder sich des Instruments in höchster Not bedient hatte. Ahnungsvoll hasteten sie hinaus und gewahrten, daß im Osten hinter dem Wald Rauchwolken emporstiegen. Von einer baumlosen Erhebung aber ergoß sich ein Reiterschwarm über die verschneiten Wiesen und stürmte geradewegs auf den Hof zu.
Ein paar Männer liefen zu den Ställen, andere bewaffneten sich mit Äxten und Beilen, die Frauen jedoch falteten stöhnend die Hände. Auch Konrad wurde beklommen zumute. Er hatte nie vorgehabt, mit ihnen zu fliehen, sondern sich in einer Nische des Brunnenschachtes verbergen und dort auf die Ungarn warten wollen. Schon vor einiger Zeit hatte er Nacht für Nacht ungefähr eine Elle über der Wasseroberfläche Steine und Erde herausgelöst und danach die Vertiefung wieder verkleidet. Sie war geräumig genug, um in ihr mit angezogenen Beinen sitzen zu können. Als es Winter wurde, hatte er sie mit Stroh und Lumpen gepolstert und gestern die zur Tarnung bestimmten Steine entfernt. Wenn die Ungarn eingetroffen waren, hatte er sein Versteck verlassen, lächelnd an ihre Feuer treten und sie wie ein Hausherr begrüßen wollen. Die Keller mit den Vorräten hätte er ihnen gezeigt, und sie hätten ihm dafür auf die Schulter geklopft und ihm durch Zeichen zu verstehen gegeben, daß er sich ihnen anschließen dürfe.
Indes, nun war es anders gekommen. Das Gesinde war geblieben, die Türen der Keller standen sperrangelweit auf, und ein paar Verrückte bereiteten sich anscheinend sogar darauf vor, den Hof zu verteidigen. Machten sie ihre Absicht wahr, konnte er sich den Plan, die Freundschaft der Fremden zu erwerben, vermutlich vorerst aus dem Kopf schlagen.
Damit nicht genug, mußte er auch noch um die Mutter und die Schwestern bangen. Auf dem Weg zur Burg war er ihnen ausgerissen, statt jedoch, wie er gehofft hatte, weiterzuziehen, waren sie wieder umgekehrt. Schuldbewußt und zugleich etwas ärgerlich, blickte er jetzt zu ihnen. Ihre verdammte Anhänglichkeit hatte sie ins Unglück gestürzt, denn selbst wenn man sie nicht als Gefangene wegführte, das Vieh und die Habe würden sie einbüßen. Und wovon sollten sie dann leben?
Ihre kleinen struppigen Pferde peitschend, hatten sich die Reiter währenddessen so weit genähert, daß schon ihre Gesichter zu erkennen waren. Ihre Zahl war schwer zu schätzen, über hundert mochten es sein. Als sie die bepackten Wagen und Schlitten bemerkten, pfiffen sie gellend und beschleunigten das Tempo. Auch vor der Umfriedung gab es für sie kein Halten. Blitzschnell schwangen sie sich auf die Rücken ihrer Tiere; sprangen über die Mauer hinweg in den Hof und schleuderten ihre braunen Mäntel von sich. Außer Säbel trugen viele von ihnen langstielige Keulen, die sie, den Schnee furchend, vor sich herschoben. Keuchend gingen sie so auf die Menge zu.
Das Ungestüm, mit dem sie eingedrungen und sich ihrer Gewänder entledigt hatten, die herausfordernde Lässigkeit, mit der sie ihre Waffen
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