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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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nicht sicher bist, sage es frei heraus.« Leise fügte er hinzu: »Es gibt nämlich Dinge, die einem mißraten, tut man sie lediglich unter Zwang.«
    »Wozu noch überlegen, Herr Graf«, entgegnete Konrad heftig. »Daß man mit Feinden auf Feindesart verfährt, ist mir bekannt. Im übrigen sehne ich mich schon lange danach, dir meine Ergebenheit zu beweisen. Ich preise unseren Schöpfer, daß er meinen Wunsch endlich erhört hat. Du bist der gerechteste Mensch, den ich kenne. Du hast mir das Leben gerettet. Gebrauche es, wie es dich richtig dünkt. Ich schwöre bei meinem Seelenheil, daß ich dir stets mit ganzer Kraft dienen werde.«
    Jetzt war es an Gero, die Augen zu senken. Wie man sich täuschen kann, dachte er benommen. Für eigensinnig hatte er den Burschen gehalten; dabei war der anscheinend geradezu darauf versessen, sich für ihn aufzuopfern. Dergleichen gab es also wirklich … Einen Moment lang beschlich ihn eine sonderbare Verwirrung, und ihm war, als müsse er seinen Entschluß widerrufen. Von Reue und Ratlosigkeit bedrängt, schnaufte er abwehrend und wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
    »Ein fahrender Sänger hätte sich schwerlich gefühlvoller ausdrücken können«, spottete er, als er sich wieder in der Gewalt hatte. »Aber wir wollen nicht übertreiben. Dein Leben schuldest du allein Gott, und für das Brot, das du von mir erhieltst, hast du mir immer treu zur Seite gestanden. So sollte es auch künftig zwischen uns sein. Deinen Schwur allerdings werde ich nicht vergessen … Nun, ich war offen zu dir, und du hast dich entschieden. Laß jetzt die Männer antreten, ich will sie von deiner Erhöhung unterrichten.«

6
    U NGEFÄHR ZUR SELBEN Zeit, als die Vermählung des Prinzen Otto mit der Prinzessin Editha gefeiert worden war, hatte sich einige Tagesreisen südlich von Quedlinburg eine gewisse Gelsusa, Witwe eines im Krieg verschollenen Bauern namens Herpo, samt ihrer Habe in die Abhängigkeit einer benachbarten Grundherrschaft begeben. Nur mit äußerstem Grauen hatte sie sich zu diesem Schritt entschlossen. Auch ihre drei Töchter befiel angesichts der unablässig weinenden Mutter Verzweiflung, und den Ältesten trieb die Aussicht, von jetzt an bis zum Ende seines Lebens an zwei Tagen jeder Woche fronen zu müssen, sogar in die Wälder.
    Das fünfte Kind hingegen, ein zehnjähriger Knabe, war eher erleichtert. In den letzten Jahren hatte es seinen Vater mehr als einmal sagen gehört, daß der, bevor er sich ›diesen Hunden‹ ausliefere, lieber das Gehöft anzünden und danach sich und die Seinen umbringen werde. Seither hatte der Junge bei jedem Mißgeschick, das die Familie traf, in Todesängsten geschwebt. Nun, da endgültig feststand, daß die Gefahr vorüber war, sah er gelassen in die Zukunft.
    Schon bald sollte er jedoch begreifen, was den einst so gutmütigen Mann zu jener schrecklichen Drohung bewogen hatte. Das Kloster, in dessen Besitz sich der Fronhof befand, war arm, noch ärmer aber waren seine Hintersassen. Deshalb war man mit ihnen irgendwann übereingekommen, Pflichtverletzungen nicht durch Bußzahlungen, sondern durch Leibesstrafen zu sühnen, ein Gewohnheitsrecht, dem sich auch die frei Geborenen unterwerfen mußten. Hemmungslos machten die Männer des Meiers von ihm Gebrauch, prügelten bei jeder Gelegenheit und mit allem, was gerade bei der Hand war. Das Gesinde wiederum, von dieser Behandlung gänzlich verroht, rächte sich, indem es das, was ihm zugefügt wurde, blindlings an den jeweils Schwächeren weiterreichte. Darum gab es auf dem Hof kaum noch Hunde und Katzen, denn sie waren entweder getötet worden oder geflohen.
    Überhaupt war in dieser Hölle alles anders, als es der kleine Konrad kannte. Während der Arbeit wurde nicht gesungen und in den Pausen nicht gelacht; selbst Feste brachten die verbitterten Menschen einander nicht näher. Das, was gemeinhin als Tugend galt, erweckte bei ihnen lediglich Feindschaft und Verachtung. Einmal, es war Winter, hatte er aus einem Speicher eine Handvoll Hirse entwendet, um sie an die Vögel zu verfüttern. Als er die Körner in den Schnee streute, umringten ihn plötzlich Knechte. An ihren Mienen erkannte er, daß sie etwas im Schilde führten, glaubte aber bis zuletzt an ein Mißverständnis; schließlich war es unter ihnen üblich, ihre Herrschaft zu bestehlen, wo es nur ging. Statt ihn jedoch zu loben, ergriffen sie ihn, begossen ihn mit Wasser und jagten ihn aufs freie Feld hinaus, wohl wissend, daß er sich nicht

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