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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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unter dem sanften Druck des Windes, wie eine Katze, der man über den Nacken streicht und die daraufhin vor Behagen zu schnurren anfängt. Ein Marienkäfer klettert einen Halm hoch, macht kehrt, als dieser unter seinem Gewicht sinkt, und kriecht zurück, sobald sich der Halm erneut aufrichtet. Über alldem der Septemberhimmel, wolkenlos, klar, unendlich …
    Ein Schatten fiel auf ihn, er drehte den Kopf und blickte in das bärtige Gesicht Otfrieds.
    »Hier hast du dich also verkrochen! Liegst auf dem Rücken und schmunzelst vor dich hin. Woran hast du denn gerade gedacht?«
    »Was willst du!«
    »Ich? Nichts. Der Graf sehnt sich nach dir.«
    Konrad seufzte. »Jetzt? Sofort?«
    »Ja, zur Hölle.«
    »Und was soll ich tun.«
    »Das hat er mir nicht verraten. Beeile dich; er macht ein Gesicht, als ob er am liebsten die ganze Welt in Stücke schlagen würde.«
    Als Konrad die Tür zur Kammer des Grafen öffnete, stockte er. Beide Fenster waren geschlossen. Mit zahllosen Stäubchen gefüllte Sonnenstrahlen drangen durch die Ritzen der Läden und teilten den Raum wie quergelegte Lanzen. Gero saß, die Beine weit von sich gestreckt, an der hinteren Wand und wies auf einen leeren Stuhl, der schräg gegenüber neben der einzigen brennenden Fackel stand.
    Während Konrad sich setzte, stellte er betroffen fest, daß der Graf noch scharfzügiger und abgehärmter aussah als vor wenigen Tagen. Die das spärliche Licht spiegelnden Augen waren schwarz umrändert; der Mund wirkte verkrampft, wie bei jemandem, der seit längerem unter starken Schmerzen leidet.
    »Was ist mit dir, Herr?« fragte Konrad, da Gero stumm blieb. »Bist du vielleicht krank?«
    »Weshalb glaubst du das?«
    »Nun …« Konrad vollführte eine unschlüssige Handbewegung.
    Gero nickte. »Nein, ich bin nicht krank«, entgegnete er. »Es sind die Sorgen, die mich nicht mehr schlafen lassen.«
    »Aber es ist doch alles wieder gut.«
    »Gut?«
    »Der König hat gesiegt.«
    Gero zuckte die Schultern. »Gesiegt«, wiederholte er. »Ein Mann, dessen Feind lediglich gedemütigt, nicht jedoch entmachtet ist, hat nicht gesiegt. Er ist gefährdeter als jemals zuvor.«
    Er lief zum Fenster, spähte durch die Schlitze und drehte sich um. »Versetze dich in seine Lage«, sprach er weiter. »Der Bayer verweigert ihm die Huldigung, der Franke sinnt auf Vergeltung, Ludwig steht am Rhein, der Lothringer schwankt, daß es einem allein vom Zuschauen schwindelt, und unsere Großen grollen dem König, weil er mich ihnen vorzog. Das, mein Freund, ist die rauhe Wahrheit. Für ihn geht es jetzt um die Bewahrung seiner Macht, und bei diesem Kampf bin ich ihm bloß hinderlich … Deshalb«, schloß er nach einer winzigen Pause, »bleibt mir, so fürchte ich, wohl nur noch eine einzige Möglichkeit, ihm zu dienen.«
    »Und welche ist das?«
    »Ihn zu bitten, mich von meinem Amt zu entbinden«, erklärte Gero ruhig. »Allein das wird sie wieder mit ihm versöhnen.«
    Konrad war aufgesprungen. »So etwas darfst du nicht einmal denken, Herr!« stieß er hervor. »Erinnere dich, wie sie dich in Steele behandelt haben! Vor diesen Leuten willst du zu Kreuze kriechen?«
    »Habe ich eine andere Wahl? Ich sehe es doch voraus: Graf Gero ist seinen Pflichten nicht gewachsen, wird es eines Tages heißen, seine Ernennung ist ein Mißgriff gewesen. Ein Vorwand findet sich, zweifle nicht daran …«
    »Aber es muß doch einen Ausweg geben!«
    Gero nahm eine frische Fackel, zündete sie an und steckte sie in die Halterung. Den noch brennenden Stumpf der alten Fackel warf er in einen mit Wasser gefüllten Kübel.
    »Muß es das?« bemerkte er in das Zischen hinein.
    »Ein außergewöhnlicher Erfolg«, sagte er, während er sich wieder setzte, »er wäre vermutlich meine Rettung. Wer Vorfahren besitzt, die durch Taten bewiesen haben, daß ihnen die Vorsehung gewogen ist, hat derlei freilich nicht nötig. Wem es aber an solchen Vätern mangelt, der muß, sofern er sich nicht bescheiden will, sein Glück eben zu zwingen suchen. Allein dadurch vermag er, das Fehlen einer glanzvollen Ahnenreihe wettzumachen.«
    »Wenn es uns demnach gelänge, in kürzester Zeit eine größere Anzahl von Burgen – Doch nein«, fiel sich Konrad ins Wort, »dies könnte einen Aufruhr auslösen.«
    »So ist es«, pflichtete ihm Gero bei. »Es wäre dies wohl eher eine außergewöhnliche Dummheit zu nennen.«
    Er lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander.
    »Hast du einmal beobachtet, wie gefaßt die meisten zum

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