Brennaburg
Zeichen achten; und: Es gibt keine Wahrsagerei in Israel, noch Zeichendeutung im Hause Jakobs.
Des weiteren berichtete man mir von einem Mann, dem im Kampf beide Arme bis zum Ellenbogen abgehauen worden waren, worauf dieser, nachdem man ihn verbunden hatte, ausgerufen habe: Himmlischer Vater, womit soll ich mich nun bekreuzigen? Eine Woche lang habe er im Fieber darniedergelegen, sei dann eines Morgens erwacht und wieder im Besitz seiner Gliedmaßen gewesen. Wie um alle zu beschämen, welche an der wundersamen Heilung zweifeln könnten, seien aber an den Stellen der Verbindung blutrote Linien zurückgeblieben.
Über Bauern meines Sprengels hingegen verhängte die göttliche Gerechtigkeit eine Strafe. Obzwar ausdrücklich ermahnt, am Feiertag keine Knechtsarbeit zu verrichten, begaben sich am Sonntag nach der Predigt einige Verstockte wegen des schönen Wetters auf die Wiese, um dort Heu zu häufeln. Schon am selben Abend jedoch verzehrte ein Feuer alle an diesem Tag errichteten Stadel, und lediglich die bereits früher geschichteten Haufen in der Mitte waren unversehrt.
Dies, teuerster Bruder, mag für diesmal zur Stillung Deiner Wißbegierde genügen. Deiner Antwort harrend, ist es mein innigster Wunsch, daß es Dir in Christus wohlergehe und Du mit heiligen Erfolgen vorwärtsschreitest.
Gegeben an den Kalenden des September im Jahre 938 nach der Geburt des Herrn, unter der Regierung des frommen Königs Otto.
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N OCH IM M AI hatte in der königlichen Pfalz Steele ein Reichstag stattgefunden. Ein alter Streit, der zur Ursache mancher Fehde geworden war, sollte endlich beigelegt werden: ob nämlich jemand, dessen Vater zu Lebzeiten des Großvaters gestorben war, denselben Anspruch auf das großväterliche Erbe habe wie seine Oheime. Um Auseinandersetzungen hierüber für immer den Boden zu entziehen, hatte der König angeordnet, die Angelegenheit durch Lohnkämpfer entscheiden zu lassen. Dies geschah, und da jene siegten, welche die Partei der Enkel verfochten, erging der Beschluß, daß diese den Söhnen gleichzustellen seien.
Voller Erwartung hatte sich der junge Konrad auf die Reise an die ferne Ruhr begeben. Zum erstenmal würde er an einem Hoftag teilnehmen und als Anführer der gräflichen Gefolgschaft vor die Besten des Reiches treten. Die Nachricht, daß einige von ihnen nicht gekommen waren, enttäuschte ihn deshalb – obschon ihn Gero auf diese Möglichkeit vorbereitet hatte – über alle Maßen. Ferngeblieben waren dem Hoftag der Bayernherzog, der Frankenherzog, Thankmar, Wichmann sowie manch anderer, der sich diesen Leuten offenbar mehr verpflichtet fühlte als dem König.
Kaum minder enttäuschten Konrad viele der Anwesenden. In den Geschichten, die man sich während der langen Winterabende zu erzählen pflegte, waren Helden stets bescheidene Menschen, uneitel und darauf versessen, im stillen zu wirken. Die meisten jener berühmten Männer hingegen schienen gerade das zu fürchten. Bemerkten sie, daß man sie beobachtete, reckten sie ihre breiten Schultern, lachten lauthals, sprachen mit dröhnenden Stimmen und ließen dann und wann wie zufällig ihre goldenen Ketten klirren. Jede ihrer Gebärden verriet die Überzeugung, daß alles, was sie äußerten, bewundernd zur Kenntnis genommen wurde. Das traf in der Regel auch zu; lediglich bei Konrad hatten sie kein Glück. An ihren prachtvollen Gewändern hatte er sich bald satt gesehen, ihr prahlerisches Gehabe stieß ihn ab.
Kampfspiele, Jagden, Gelage, das bunte Volk der fahrenden Leute, alles war so, wie man es ihm vorher geschildert hatte. Die Geringschätzung, mit der die Großen seinen Herrn behandelten, verdarb ihm indes jedes Vergnügen daran. Sie war einmütig und von einer Art, die auf Dauer auch das stärkste Selbstgefühl bezwingen mußte. Näherte sich der Graf einer Gruppe, verstummte man, blinzelte sich vielsagend zu und wandte sich ab, wobei sich schändlicherweise gerade die Sachsen hervortaten.
Die Mißachtung, die ihm entgegenschlug, bekam auch sein Gefolge zu spüren, denn wie üblich suchten es die Dienstleute ihren Herren darin nachzutun, ja sie zu übertreffen. Und weil der König Zweikämpfe während des Hoftages strengstens verboten hatte, war Konrad unablässig damit beschäftigt, seine Männer zu zügeln.
Dann aber war gerade er es, der die Gewalt über sich verlor. Als ihm eines Abends der Mann eines westfälischen Grafen, von hämischem Beifall beflügelt, einen Ballen Hühnerkot in den Bierkrug warf, stürzte er
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