Brennaburg
vor dem nächsten Vollmond.«
»Und was geschieht dann?«
»Was soll geschehen? Sie sind meine Gäste, also werde ich sie bewirten.«
»Und danach?«
Der Graf antwortete nicht.
»Was hast du mit ihnen vor, Herr!«
»Wozu fragst du noch? Du hast es doch längst erraten.« Der Graf spannte die Wangenmuskeln. »Setz dich!« befahl er heiser. »Ich mache dich jetzt mit meinem Plan vertraut. Höre mir zu, und du wirst einsehen, daß du dich ganz unnötig erregst. Denn nicht wir werden uns ihrer bemächtigen, sondern aufständische Sorben.«
»Sorben? Was für Sorben?«
»Was für Sorben?« wiederholte Gero mit gespieltem Erstaunen. »Solche, die schon lange auf Empörung sinnen, solche, die zuweilen unsere Dörfer heimsuchen, mit einem Wort: solche, die unseres Jochs überdrüssig sind und deshalb diejenigen, die es weiterhin tragen wollen, als Abtrünnige hassen. Gewiß wünschst du auch zu wissen, welche Stämme es sind, von denen ich dies argwöhne«, fuhr er in demselben zweideutigen Ton fort. »Nun, wie sich jedermann leicht überzeugen kann, ist auf meinem Hof nicht ausreichend Platz, um gleichzeitig alle jene beherbergen zu können, von denen ich diesen Eid fordern muß. Dies ist der Grund, weswegen ich lediglich eine begrenzte Anzahl Häuptlinge zu mir lud und den übrigen übermitteln ließ, daß ich sie später empfangen würde, was sicherlich manchem von ihnen insgeheim willkommen war. Unter ihnen wird man die Schuldigen zweifellos vermuten dürfen.«
»Verstehe ich recht, Herr Graf?« fragte Konrad. »Du nimmst an, daß sie unsere Gäste entführen, uns aber verschonen werden?«
»Ich vermisse deinen gewohnten Scharfsinn, mein Freund!« Der Graf beugte sich vor. »So laß mich dir erklären: Am Tag vor der Ankunft der Häuptlinge werden von den drei eroberten slawischen Burgen jeweils die Hälfte der Besatzungen abziehen und sich nicht weit von uns im Wald verstecken. Gegen Mitternacht werden einige von ihnen ein benachbartes Gehöft angreifen, einen Speicher in Brand stecken und etwas Vieh wegtreiben. Man wird zu mir um Hilfe schicken, worauf ich meine Gäste bitten werde, die Feier ohne mich fortzusetzen. Unser Aufbruch wird für die Männer im Wald das Zeichen sein, in den Hof einzudringen und die Häuptlinge zu überwältigen.«
Er verschränkte die Arme über der Brust und blickte nach oben.
»Sechzig gegen dreißig – denn das ist die genaue Zahl meiner erlauchten Gäste –, dies kann man nicht gerade eine Übermacht nennen. Glücklicherweise haben wir einen unschätzbaren Verbündeten: Es ist die heidnische Sitte, sich bei Festlichkeiten nicht nur zu zügeln, sondern, als gelte es das Seelenheil, möglichst viel zu trinken und zu verspeisen. Man ehrt den Hausherrn auf diese Weise, wie man ihn umgekehrt beleidigt, indem man sich mäßigt. Du wirst mir entgegenhalten, daß uns diese Gewohnheit ebenfalls nicht unbekannt ist. Das ist wahr, doch versichere ich dir, daß uns die Barbaren hierin allemal den Rang ablaufen, weil sie nämlich auch ihr Glaube zur Völlerei nachgerade ermuntert. Ich hatte unter diesem Brauch so manches Mal zu leiden, nun werde ich mich seiner zu meinem Vorteil bedienen. Sowie sie gefesselt und geknebelt sind, werden unsere Männer sie auf Pferde packen und mit ihnen die Saale überqueren. Sie werden tagsüber in Richtung Osten reiten und, sobald sie sich vergewissert haben, daß man sie nicht verfolgt, nachts zu ihren jeweiligen Burgen zurückkehren, wo sie, unbemerkt von den Mägden, die Gefangenen in die Kerker schaffen können.
Vermutlich fragst du dich, wie es sich verhindern läßt, daß unsere List durchschaut wird«, sprach Gero weiter. »Von meinem Plan wissen außer dir die Grafen Thietmar und Christian, und jeder von uns vier hat Gründe genug, sich über das, was wirklich geschah, in Schweigen zu hüllen. Das gleiche gilt für diejenigen, welche die Häuptlinge überwältigen und bewachen werden. Um unsere Gäste beherbergen zu können, sind wir genötigt, die Knechte und den größten Teil der Mägde in den umliegenden Dörfern unterzubringen. Lediglich ein halbes Dutzend Frauen bleibt hier. Sollte eine von ihnen aufwachen, wird sie allenfalls ein paar slawische Worte und Flüche hören und daher guten Gewissens bezeugen können, daß die Täter wahrscheinlich keine Sachsen waren. Ebenso wichtig ist es, die Gefangenen selbst über die Herkunft ihrer Entführer zu täuschen. Hierzu werden wir uns jener Männer bedienen, deren Muttersprache das Slawische
Weitere Kostenlose Bücher