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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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fragte Siegfried weiter.
    Der Alte rührte sich nicht.
    »Kein Wort versteht er«, hörte Siegfried die Männer murmeln. »Bestimmt ist er auch schon taub. Sogar der Teufel hat den alten Zausel vergessen, und wir halten uns hier mit ihm auf.« Sie schauten zu Heimo. Der tat, als bemerkte er die Blicke nicht, beugte sich jedoch zu Siegfried und sagte: »Wozu willst du das bloß wissen, Graf? Aber falls du mit ihm ein Schwätzchen machen möchtest, dann erlaube uns doch, inzwischen ein bißchen das Dorf zu besichtigen.«
    In diesem Augenblick zog der Alte den offenen Pelz zusammen, hob den Kopf und sagte beiläufig, aber deutlich: »Sachsen?«
    Nachdem seine Begrüßung nicht erwidert worden war, hielt es Siegfried für unter seiner Würde, auf diese schroffe Frage einzugehen. Seine Leute antworteten für ihn: »Sachsen, ja, ja. Und was für welche.«
    »Krieg?« fuhr der Mann fort.
    »Na und ob!«
    »Krieg, warum?«
    Lebhaftes Stimmengewirr kam auf. »Krieg, warum! Der fragt uns ja aus wie ein Priester … Weil eben Krieg ist.«
    Plötzlich wurden alle still, denn der alte Mann fing an, in seiner Sprache zu reden. Auf seinen Stock gestützt und dabei leicht schwankend, begann er leise, wurde unerwartet lauter, wobei er ein paarmal mit dem Fuß aufstampfte, verfiel ebenso unerwartet in Schweigen, um nach einer Pause weiterzusprechen. Es war nicht klar, ob er drohte oder bat, schmeichelte oder schimpfte, nicht einmal, ob er sich überhaupt an jemanden wandte oder nur mit sich selber redete. Alles schien abwechselnd möglich, und wohl gerade deshalb lauschten ihm die Männer gebannt.
    Siegfried krampfte seine Hand um den Zügel. Was sollte er tun? Das einzig Vernünftige wäre natürlich gewesen, den Alten einfach stehenzulassen, doch konnte er sich dazu nicht aufraffen. Solange er ihm zuhörte, war er jeder Entscheidung enthoben. Streiften die Leute aber erst einmal durchs Dorf, würde er gezwungen sein, bei allem, was sie taten, den Befehl des Königs zu berücksichtigen. Und davor graute ihm.
    »Jetzt reicht es mir.« Das war Heimo, der abseits gestanden hatte und nun von der Seite an den Mann herantrat. »Hör endlich auf, vor dich hinzubrabbeln, Alter. Und steh uns nicht länger im Weg herum. Geh in deine Hütte … Los, wird's bald!«
    Der andere beachtete ihn nicht. Heimo schob die Unterlippe vor und blickte zu den Männern, als rufe er sie zu Zeugen für seine Engelsgeduld auf. Dann legte er seine Linke in den Nacken des Alten und zog dessen Kopf an den Haaren nach hinten. Der Mann wehrte sich nicht, hob nicht einmal den Stock, er gab lediglich ein Zischen von sich. Im nächsten Augenblick taumelte er, knickte in den Knien weg und stürzte zu Boden, wo er noch einige Male mit den Beinen scharrte. Heimo hockte sich hin, wischte sein Messer am Mantel des Toten ab und erklärte ruhig: »Dieser Mann war ein Zauberer. Ich merkte, wie meine Arme immer schwerer wurden.«
    Diese Bemerkung stand zwar im Widerspruch zu der Schnelligkeit, mit der er zugestoßen hatte, doch schien das keinen zu stören. Als sich die Erstarrung gelöst hatte, antwortete ihm ringsherum Zustimmung.
    »Wie geht es dir, Graf Siegfried?« fragte Heimo. »Du siehst wirklich nicht gut aus. Kein Wunder, er konnte dir ja fast auf die Zehen treten.«
    Siegfried spürte, daß ihn die Männer ansahen, mitfühlend wenige, schadenfroh einige, neugierig die meisten. Er gab sich keiner Täuschung hin: Mochten sie das mit dem Zauber nun glauben oder nicht – daß es Heimo gelungen war, innerhalb kurzer Zeit die Führung an sich zu reißen, mußte auch der Dümmste gemerkt haben. Und an allem war dieser verdammte Befehl schuld; er hatte ihn in diese entsetzliche Lage gebracht.
    »Es geht mir ausgezeichnet«, antwortete er gepreßt.
    »Das freut mich«, sagte Heimo gemessen. Seine hellen Augen blickten kalt, er tat nicht übertrieben besorgt – hielt seine Spottlust im Zaum. »Dann schlage ich vor, daß wir jetzt das machen, weswegen wir hier sind.«
    Er ließ eine Pause verstreichen, so lange, bis auch der letzte begriffen haben mußte, daß es außer ihm niemanden gab, der genau wußte, weswegen sie hier waren. Schließlich fuhr er fort: »Wenn du einverstanden bist, dann beginnen wir mit dem Haus des Zauberers … Vorwärts, Leute, der Graf sucht Freiwillige! Oder sind hier welche, die« – er versetzte der Leiche einen Tritt – »vor dem alten Saukerl noch immer Angst haben?«
    Fünf Männer traten vor; aneinandergedrängt und ihre Scheu durch

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