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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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gewählt, doch es waren die Worte eines Mannes, der mir einen wichtigen Dienst geleistet hat. Und nur diesen werde ich in Erinnerung behalten.«
    Er umarmte den Grafen, worauf der, nun vollends überrascht, strauchelte und um ein Haar hingeschlagen wäre.
    »Warum hast du ihn wie einen Fremden behandelt?« fragte Otto, nachdem sie ein Stück geritten waren. »Es hat alle verwirrt.«
    Heinrich warf ihm einen gereizten Blick zu. »Tat er dir leid?«
    Otto runzelte die Stirn und stieß unwillig die Luft aus. »Aber ich weiß schon«, sagte er, die Frage überhörend, »du nimmst jede Gelegenheit wahr, andere deine Macht fühlen zu lassen. Du hältst das für notwendig.« Das Wort notwendig zog er geringschätzig in die Länge.
    Heinrichs Miene wurde auf einmal vergnügt. »Du bist ja ein ganz Schlauer. Kommen dir solche Gedanken, wenn du auf dem Eis herumspringst? Falls es so ist, habe ich künftig nichts mehr dagegen einzuwenden.«
    »Rede nicht so mit mir«, rief Otto wütend. »Ich werde dir noch etwas sagen: Du hast dir widersprochen.«
    »So? Wann denn?«
    »Gleich zu Beginn. Erst hieß es: Ich habe nicht gewollt, daß es zu einem Kampf kommt, die Slawen selbst haben ihn herausgefordert. Und schon im nächsten Satz: Einmal mußte es losgehen, weshalb nicht heute. Was ist denn nun deine wirkliche Meinung?«
    »Schien es dir, daß das außer dir noch andere gestört hat?« fragte Heinrich lachend.
    Otto zuckte die Schultern. »Das weiß ich nicht. Nein, es hat wohl keinen gestört. Warum fragst du mich das?«
    »Bei einem König«, sagte Heinrich, nun wieder ernst, »ist es keine Schande, wenn er sich widerspricht, sofern er sich richtig widerspricht. Die Leute hören nur das, was sie hören wollen, sag es ihnen, und sie sind zufrieden. Meinst du etwa«, fuhr er fort, »ich habe nicht gewußt, daß es dazu kommen würde? Ich führe einen Wolf in eine Schafherde und flüstere ihm zu: Tu ihnen nichts! – was geschieht wohl, noch bevor ich mich umgedreht habe? Nun ist es geschehen, und unsere Wölfe können sich auch noch darauf berufen, daß es so geschehen mußte.«
    Er legte Otto die Hand auf den Arm. »Mein Sohn, ich muß es dir immer wieder sagen: Wir sind Herrscher. Für uns gilt daher nicht, was für andere gilt. Für uns sind die Menschen genau das, was für den Schuhmacher das Leder ist und für den Zimmermann das Holz – du darfst es sie nur nicht merken lassen. Erst wenn du das begriffen hast, kannst du wirklich herrschen.«
    Otto nagte an der Unterlippe. »Und wozu bist du Herrscher?« fragte er nach einer Weile kaum hörbar.
    Tags darauf wurde es wieder wärmer. Zwar war der Boden noch fest, doch ein milder Wind kam auf, graue Wolken ballten sich tief, es fing sogar an zu nieseln. Und als sollten sie auf das Kommende vorbereitet werden, gab es ein Unglück. Ein junger Dienstmann stürzte auf der Jagd nach einem Schwein vom Pferd in ein Sumpfloch, wo er von einem überschwemmten Ast aufgespießt wurde. Schreiend und wie eine getroffene Ente Schlamm und Eisstückchen aufspritzend, sank er immer tiefer in den Morast. Als man an ihn herankam, bewegte er sich nur noch schwach, kurz danach starb er. Mit dem Wetter war auch die Stimmung der Leute umgeschlagen. Aus einem fröhlichen Heer wurde erstaunlich rasch ein mißlauniger Haufen, der keinen gemeinsamen Rhythmus mehr fand. Angestrengt schauten die Männer in die Gegend, den ersten Anzeichen einer Feindseligkeit entgegenfiebernd, mit der von nun an jeder rechnete. Daß sie ausblieb, war eher verdächtig. Bevor man Brücken oder Dämme betrat, wurde sorgfältig geprüft, ob sie nicht zu Fallen umgebaut worden waren. In den Wäldern erstarben die Unterhaltungen. Sobald die Kundschaftermeldungen einige Zeit ausblieben, drosselte die Spitze die Geschwindigkeit, so daß die Hinteren auf die Vorderen aufliefen. Dann wurde das Schweigen durch gereizte Wortgefechte unterbrochen.
    Heinrich haderte mit sich. Offensichtlich war es falsch gewesen, auf einen zeitigen und andauernden Frost zu setzen. Hielt das warme Wetter an, war an eine Belagerung der Brandenburg vorläufig nicht zu denken, er würde das Heer um sie herumführen müssen, auf Wegen, die mit Sicherheit viel schlechter passierbar waren als die jetzigen. Um den Gegner zu schwächen und herauszufordern sowie die Leute bei Laune zu halten, würde er zwischendurch weitere Dörfer zerstören müssen, das wiederum bedeutete mehr Beute, wodurch sich ihr Fortkommen noch schwieriger gestalten würde. Wenn schon

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