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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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nicht Winter, dann wenigstens eine baldige große Schlacht – das war es, worum seine Gedanken ständig kreisten.
    Am frühen Abend gab es wieder einmal eine Stockung. Heinrich ritt nach vorn und erblickte die Ursache: einen Baum, der mitten auf dem Weg lag. Es war eine alte Kiefer, nicht groß, aber dick, mit langen starken Ästen, die nach oben standen. Sie war nicht etwa umgestürzt, sondern gefällt worden, was ungeheure Anstrengungen gekostet haben mußte. Das Vorankommen des Heeres konnte sie allerdings kaum verzögern, denn die gesperrte Stelle ließ sich ohne Risiko für die Wagen umgehen.
    Seltsamerweise machten die Leute von dieser Möglichkeit lange keinen Gebrauch. Flüsternd umstanden sie das Ungetüm, deuteten anerkennend auf seinen Stamm und betasteten vorsichtig die in der Dämmerung schimmernden Schnittflächen. Da hatten nun ein paar Verrückte wie Sklaven geschuftet und dabei außer acht gelassen, daß der Platz, an dem der Baum umgelegt werden sollte, für ein Hindernis völlig ungeeignet war. Doch obwohl jedes Kind hätte voraussehen können, daß ihre Arbeit für die Katz sein würde, wurden keine geringschätzigen oder übermütigen Bemerkungen laut. Es war, als ahnten alle, daß nur verzweifelter Haß solche blinden Kräfte freisetzen konnte, weswegen sie der Anblick dieser sinnlos gefällten Kiefer mehr beeindruckte, als es eine noch so ausgeklügelte Falle vermocht hätte.
    Von da an war es mit der Ruhe vorbei. In immer dichteren Abständen und von Mal zu Mal überlegter schlug der unsichtbare Gegner zu. Es war geradezu gespenstisch, wie viele Menschen er in so kurzer Zeit auf die Beine gebracht haben mußte. Mehrmals am Tage waren Baumverhaue zu beseitigen, getarnte Gruben oder Löcher einzuebnen, angesägte Bohlen auszuwechseln oder verkohlte Pfeiler durch neue zu ersetzen. Sobald sich das Heer ballte und alle beschäftigt waren, regnete es schräg von oben herab Pfeile. Noch hatte es keine Toten gegeben, doch die ständigen Widrigkeiten zermürbten die Männer: die häufigen Stockungen, bei denen die Vorderen von den Hinteren verlangten, doch auch einmal mit Hand anzulegen, was, gingen diese darauf ein, das Durcheinander nur noch vergrößerte; die Notwendigkeit, Reparaturen unter Beschuß durchzuführen, wobei man zumindest im Gesicht, am Hals oder an den Händen verwundet werden konnte; die Gefahr schließlich, unter die Hufe eines scheuenden Pferdes zu geraten. Die Erbitterung wuchs derart, daß Heinrich und Siegfried alle Mühe hatten, ihre Streitmacht daran zu hindern, sich bei der aussichtslosen Jagd auf Heckenschützen im Wald aufzulösen.
    Als klar war, daß ein weiteres Vorantasten auf der Handelsstraße vorläufig nichts einbrachte, beschloß der König, sie zu verlassen. Mochten die Feinde ruhig glauben, daß es ihnen gelungen sei, ihn von seinem Ziel, der Brandenburg, abzulenken – inzwischen würde es vielleicht wieder kälter werden. Und so schlugen sie bei der ersten Gelegenheit einen Pfad ein, der nach Süden führte.
    Er war schmal, aber gut gewartet. Nachdem sie eine offenbar erst kürzlich verlassene Siedlung passiert hatten, wurde er jedoch plötzlich schlechter, so schlecht, daß sie sich manchmal den Weg mit Äxten und Schwertern bahnen mußten. Bald zeigte sich, daß von einem wirklichen Vorteil nicht die Rede sein konnte, die Plagen glichen sich, nur daß sie jetzt nicht mehr von Menschen verursacht wurden: Statt vor verbrannten Brücken stand man nun vor verfaulten, statt mit herausgerissenen Bohlen hatte man es nun mit versunkenen zu tun, und statt gefällter Bäume mußte man jetzt entwurzelte beiseite schleppen. Lediglich die Pfeilattacken war man los, dafür steckte man aber meist bis über die Knöchel im Schlamm. Dann und wann erblickten sie Ortschaften, doch die waren sämtlich verfallen; das erklärte, weshalb die Wege verkamen.
    Schon erwog Heinrich, ob es nicht besser sei, wieder den Rückmarsch anzutreten, da begann es auf einmal zu schneien. Große nasse Flocken sanken langsam zur Erde, schmolzen sofort, doch denen, die ihnen folgten, gelang es bald, den Morast mit einer dünnen, aber makellosen Schneedecke zu überziehen. Zwei Tage später brach ein Frost herein, der zu der Hoffnung berechtigte, daß der Winter nun endlich Ernst machen würde. Heinrich ließ halten, ein Lager wurde errichtet, die Leute mußten die durchnäßten Sachen ablegen und wärmere Kleidung anziehen. Den folgenschweren Befehl, die Wagen zu wenden, zögerte er allerdings

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