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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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Sachsen bei, und nachdem der Schwur getan war, trennte man sich. Der Ausgang des Treffens sprach sich mit Windeseile herum und rief in den sächsischen Grenzdörfern größte Besorgnis hervor. Ein Krieg sei im Anzug, hieß es, so verheerend wie mutmaßlich lange keiner zuvor, weswegen es gelte, sich ohne weiteres Säumen darauf vorzubereiten. Allerorten machten sich die Bauern daran, einen Teil der Vorräte zu vergraben, stellten nachts Wachen auf und führten bei der Arbeit ständig Waffen mit sich. Blickten sie über die gemächlich dahinströmenden Wasser der Elbe oder Saale zum anderen Ufer, schien es vielen von ihnen, als hielte das Slawenland den Atem an.

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    Z ÄHER NOCH ALS ihre westlichen Nachbarn hingen die slawischen Völker der Überzeugung an, daß es zweckmäßig sei, ihre Herrscher stets aus ein und demselben Geschlecht zu wählen. Nicht allein der Fürst, sondern auch die Gaufürsten entstammten in der Regel einer Sippe. Erwies sich der Betreffende als Mißgriff, starb er oder fiel er im Kampf, bestimmte man seinen nächsten Verwandten zum Nachfolger, und nur selten wich der Adel von diesem Grundsatz ab. Der einzelne mochte Fehler begehen oder glücklos sein: dann setzte man ihn ab. Die Rechte seiner Sippe wurden davon jedoch nicht berührt.
    Geros Rechnung war einfach gewesen. Gelang es ihm, jene Männer, die an der Spitze des hevellischen Fürstentums standen, auf einen Schlag aus dem Weg zu räumen, mußte dies das Vertrauen in die herrschende Sippe schwer erschüttern. Denn wie war es möglich, würde man zweifellos fragen, daß Menschen, die so arglos in den Tod gingen, noch den Beistand der Götter besaßen? Lastete nicht auf all diesen Familien ein Fluch, der das gesamte Volk ins Verderben zu stürzen drohte und vor dem es sich daher unverzüglich zu schützen galt? Und wie sollte dies geschehen, wenn nicht dadurch, daß man die Herrschergewalt in die Hände eines neuen Geschlechtes legte, anstatt sie, dem bisherigen Brauch folgend, den Angehörigen des Fürsten oder der Gaufürsten zu übertragen? – Ja, so würde man fragen, und nach dem, was sich ereignet hatte, konnte es darauf nur eine Antwort geben.
    Indes, jemandem die Macht zu entreißen, war das eine, sie danach gleichsam zu verschenken, etwas anderes. Und weil der Adel darin nicht geübt war, würde er sich zunächst in Eifersüchteleien, vielleicht sogar in Kämpfe verstricken. Das ganze althergebrachte Herrschaftsgefüge, in einer einzigen Nacht seiner Häupter beraubt, würde ins Wanken geraten, und noch ehe man es wieder geordnet hatte, würde er, Gero, ihm den Todesstoß versetzen. Den Vorwand hierzu würden ihm die Heveller selbst liefern; denn solange bei ihnen niemand regierte, würde sich auch die Entrichtung des Tributes verzögern. Wer konnte es ihm daher verübeln, wenn er sich holte, was ihm zustand? Und wen wundern, wenn er bei dieser Gelegenheit Maßnahmen traf, die künftigen Versäumnissen einen Riegel vorschoben?
    Bereits kurze Zeit nach dem blutigen Fest beschlich ihn jedoch der Verdacht, daß sich sein Einzug in die Brandenburg schwieriger gestalten könnte, als er bisher geglaubt hatte. Die Mehrzahl der Slawen, meldeten seine Spione, wären weder verstört noch entmutigt, sondern forderten über die Stammesgrenzen hinweg haßerfüllt Vergeltung. Burgherren, die bekanntermaßen in Fehde lägen, hätten ihre Streitigkeiten begraben und sich verbrüdert, und die Bauern, die für gewöhnlich kaum zu bewegen wären, jenseits der Grenze zu kämpfen, bedrängten den Adel, sie unverzüglich in den Krieg zu führen. Auch die Sorben, bei denen er jeglichen Widerstandswillen längst erloschen wähnte, schienen von der Empörung angesteckt zu sein. Selbst bei Stämmen, die von dem Anschlag verschont geblieben waren, gärte es. Nahezu überall, so wurde ihm berichtet, verstärke der Adel seine Gefolgschaften durch kampfbegierige Bauernsöhne, bessere die Burgen aus, bringe Waffen und Rüstungen in Ordnung. Die Sachsen hätten das Gastrecht geschändet, hieße es, und wären deshalb fortan wie wilde Tiere zu behandeln.
    Häufig besuchten ihn Abordnungen sächsischer Grenzbauern, die von ihm wissen wollten, was es denn mit jenem schrecklichen Gerücht auf sich habe und wie sie sich verhalten sollten. Besorgt, ein voreiliges Eingeständnis der Gefahr könne ihn verraten und überdies in den Dörfern zu einer Panik führen, beschwichtigte der Graf sie und empfahl ihnen, Ruhe zu bewahren und wie immer ihrer Arbeit nachzugehen.

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