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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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Messers.
    »Allmächtiger!« murmelte er, sich wieder aufrichtend.
    Thietmar schüttelte entgeistert den Kopf. »Ich habe dergleichen schon gehört«, äußerte er nach einer Weile, »aber es niemals für möglich gehalten. Und wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich es auch jetzt nicht glauben.« Sich im Nacken kratzend fügte er hinzu: »Sei ehrlich, hättest du ihm so etwas zugetraut?«
    Gero war bleich geworden. Er räusperte sich und holte Luft.
    Doch er sagte nichts.

VIERTES KAPITEL
1
    S TILL UND BUNT beschloß der Herbst ein Jahr, das dem Bauern bislang gewogen war wie selten eines zuvor. Auf drei naßkalte Wochen im Mai war ein strahlender Sommer gefolgt, von Regengüssen unterbrochen, die so behutsam niedergegangen waren, als ob sie eigens des Getreides wegen fielen. An den wenigen Flecken, an denen sich die Halme gelegt hatten, richtete sie der Wind bald wieder auf. Roggen und Gerste waren prächtig gediehen, der Hafer nicht minder; die Ähren schütteten, daß das Dreschen eine Lust war. Die zweite Grasmahd erbrachte wie schon die im Juni Erträge, die zu der Hoffnung berechtigten, daß man selbst einen außergewöhnlich harten Winter ohne größere Verluste unter den Pferden und Rindern überstehen würde.
    Auch nach der Ernte zeigte sich das Wetter von seiner besten Seite. Die gefürchteten Dauerregen blieben aus, so daß die Herbstaussaat pünktlich vorgenommen werden konnte. Und während man das letzte Feld für die Frühjahrsbestellung pflügte, waren auf dem Acker nebenan bereits die grünen Spitzen des Wintergetreides zu sehen. Über alldem wölbte sich bis spät in den Oktober hinein ein Himmel, der so leuchtend blau war, als ob er mit den Blüten der Wegwarte wetteifern wollte.
    Doch obwohl es allen Grund gab, gelassen in die Zukunft zu blicken, griffen in den sächsischen Dörfern entlang der Elbe und Saale Angst und Sorge um sich. Bedrückt fragten sich die Menschen, was wohl in die slawischen Fischer gefahren sein mochte. Begegnete man einander auf dem Fluß, wich man sich nicht aus, sondern grüßte, wünschte Gesundheit, und nicht selten schloß sich daran ein Schwatz. Man unterrichtete einander über Geburten und Todesfälle, zeigte sich die erbeuteten Fische, kam darin überein, daß sie von Jahr zu Jahr kleiner wurden, schimpfte, in der Sprache des jeweils anderen fluchend, gemeinsam auf die räuberischen Reiher – und trennte sich hierauf in bestem Einvernehmen.
    Bis vor wenigen Wochen war es so gewesen. Neuerdings hingegen gönnten einem die Nachbarn nicht einmal einen Gruß, sondern ruderten, sowie sie einen Sachsen erspähten, wie vom Teufel gehetzt davon. Und wo blieben die slawischen Händler und ihre mit Honig, Wachs und Pelzen beladenen Boote? Weshalb hörte man kaum noch Musik von drüben? Hatten diese lebenslustigen Leute dem Feiern plötzlich abgeschworen? Und wenn es so war – warum?
    Diejenigen sächsischen Bauern, die sich von alldem nicht abschrecken ließen und trotzdem hinüberfuhren – sei es, um sich ein Heilmittel zu beschaffen oder auch nur, um herauszubekommen, was es mit diesem absonderlichen Verhalten auf sich hatte –, kehrten unverrichteterdinge wieder zurück. Von der gewohnten Gastlichkeit der Slawen, erzählten sie, sei nichts zu spüren gewesen. Man habe sie nicht ins Haus gebeten, nicht bewirtet, nicht mit ihnen gehandelt, ja nicht einmal mit ihnen gesprochen. Statt dessen seien sie einige Male von Kindern mit Steinen beworfen worden, ohne daß die Erwachsenen dagegen eingeschritten wären. Selbst gute alte Bekannte, mit denen man schon so manchen Krug geleert hatte, hätten sie gemieden und ihnen bedeutet, daß sie mit ihnen nichts mehr zu tun haben wollten. Weshalb, das habe man nicht in Erfahrung bringen können.
    Die Bewohner des Grenzlandes hatten seit jeher besondere Beziehungen zueinander unterhalten und sie zumeist auch über kriegerische Zeiten hinweg zu bewahren gewußt. Elend und Leid vieler Geschlechter hatten ihre Nachkommen gelehrt, daß es für sie nützlich war, sich nicht an den Zwistigkeiten zwischen ihren beiden Stämmen zu beteiligen. Zwar redete man in verschiedenen Sprachen, verehrte verschiedene Götter, feierte an verschiedenen Tagen, kleidete sich verschieden, trennte sich auf verschiedene Weise von seinen Toten, und diese Unterschiede waren zweifellos erheblich. Doch zuallererst war man einander Nachbar. Und für Nachbarn war es nun einmal von Vorteil, sich zu vertragen, gleichviel, wie lächerlich,

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