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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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mit Kisten, Körben, Krügen, Fässern und Säcken, durchs Tor, wurde Vieh hineingetrieben, denn heute hatten die Bauern den restlichen Zins zu entrichten.
    Auch sonst war Martini ein besonderer Tag, nicht zuletzt deshalb, weil das Wetter an ihm seine künftigen Absichten zu offenbaren pflegte. ›Ist's um Martini nicht trocken und kalt, im Winter die Kälte nie lang anhalt‹, heißt es bekanntlich.
    Während Geros Leute die Abgaben in Empfang nahmen und begutachteten, blickten sie daher des öfteren zum Himmel empor, vermochten sich aber nicht zu einigen, wie der Spruch richtig auszulegen sei. Trocken war es, schon seit Wochen, an der dazu passenden Wärme haperte es jedoch. Vor drei Tagen war Reif gefallen und an schattigen Stellen sogar bis über Mittag liegengeblieben.
    Noch eine Bedeutung besaß Martini, nämlich die eines Unglückstages, an dem man besser nichts Wichtiges unternahm, und eben die war es, die Graf Gero beschäftigte. Gegenüber dem Gesinde, das sich gern auf sie berief, um sich vor lästigen Arbeiten zu drücken, tat er den Glauben daran als heidnischen Unfug ab; ging es aber um eigene Angelegenheiten, schien ihm Vorsicht geraten. Selbst beim Essen sah er sich vor, nachdem er gehört hatte, daß sich jemand beim Verspeisen der Martinigans verschluckt habe und erstickt sei. Wenn mir morgen kein Mißgeschick widerfährt, hatte er sich gestern gesagt, wird alles gut, einerlei, was danach geschehen mag.
    Und nun war er da, dieser vermaledeite Tag, und er wollte und wollte nicht enden. Seit Stunden überwachte Gero, am Fenster stehend, das Entladen der Wagen. Mit seinen Lesekünsten war es nicht weit her, deshalb bediente er sich der Hilfe eines Kanzlisten, den er sich alljährlich vom Halberstädter Bischof auslieh. Fiel der Name des Bauern, der gerade an der Reihe war, trug der Mann, der hinter ihm saß, leise die entsprechende Stelle aus dem Zinsregister vor, worauf Gero seinen Leuten mitteilte, was ihm der Betreffende schuldete. Es entstand so der willkommene Eindruck, daß der Graf das gesamte Verzeichnis im Kopf hatte.
    Während sie die Abgaben prüften, beobachtete er, ob sie dabei nicht etwa zu großzügig waren. Doch nein, das waren sie nicht. Unerbittlich glätteten sie die Wölbungen des in die Maße geschütteten Getreides, wogen und zählten nach und wurden grob, wenn sie jemand übers Ohr zu hauen suchte.
    »Ein Schock soll das sein, du Esel?« scholl es hin und wieder zu ihm herauf. »Warte, gleich lehre ich dich mit dem Knüppel zählen … Weißt wohl nicht, was ein Scheffel ist, wie? …«
    Als sich die Sonne zu neigen begann, waren die Fuhrwerke abgefertigt. Die Bauern, die jetzt noch kamen, waren so arm, daß lediglich deshalb Zins von ihnen erhoben wurde, um sie von Zeit zu Zeit an ihre Abhängigkeit zu erinnern. Einer schleppte ein mageres Huhn heran, ein anderer brachte einen Topf mit Schmalz, ein Dritter eine abgerichtete Dohle. Ein gewisser Buto beschloß den Reigen dieser Jammergestalten. Bei ihm war gar nichts zu holen, weswegen sich seine Verpflichtungen darauf beschränkten, ein zotiges Lied zu singen und dazu ein paar komische Sprünge zu vollführen, eine Aufgabe, der er sich mit großem Eifer unterzog. Er war indes längst nicht mehr so gewandt wie früher, und da es ihm auch an neuen Einfällen gebrach, fand sein Vortrag kaum noch Zuschauer. Mühsam lächelnd sah ihm Gero zu und bedeutete ihm schließlich, daß er sich entfernen solle.
    Nach dem Festmahl versammelte der Graf die Gefolgschaft zu dem allabendlichen Erkundungsritt. Das verstieß zwar gegen den Brauch, das Schicksal zu Martini nicht unnütz herauszufordern, doch graute ihm davor, untätig die Nacht abzuwarten.
    Als sie auf den Hof zurückkehrten, war es bereits dunkel. Das Gesinde und ein Teil der Krieger feierten noch. Er gesellte sich zu ihnen, befahl aber bald, mit dem Trinken Schluß zu machen. Hierauf kontrollierte er die Posten und legte sich dann nieder, hoffend, daß er erst wieder erwachte, wenn der verwünschte Tag vorüber war. –
    Stimmengewirr weckte ihn. Die Kammer war voller Männer. Im Schein qualmender Fackeln erblickte er die Torwache und einen Fremden. Bestrebt, mit seinen sporenbewehrten Füßen möglichst leise aufzutreten, kam dieser näher, verbeugte sich und berichtete, daß bei Calbe eine Abteilung Slawen die Saale überschritten, zwei Dörfer verwüstet und sich, ohne daß sie die Besatzung der Burg daran habe hindern können, danach mit Beute beladen wieder zurückgezogen

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