Brennaburg
er es vielleicht? Auf jeden Fall sah er abstoßend aus mit seinen rotgeweinten Augen, die hündisch zu ihm aufsahen.
Gero räusperte sich. »Erlaube, daß ich es tue, junger Herr«, sagte er leise. »Er wird nicht leiden, ich verspreche es dir.«
Otto entgegnete nichts, drehte aber unwillkürlich etwas den Körper. Er hatte damit nichts bezweckt, trotzdem war er auch nicht überrascht, als sich Gero sogleich geschmeidig an ihm vorbeischob und dem Knaben ein Zeichen gab, sich zu erheben. Dieser schaute fragend hoch, und Otto nickte ihm kurz zu.
Gero nahm den Jungen an der Hand, ging ein paar Schritte, wandte sich um und winkte ihnen lächelnd zu. Dann, langsam und stetig, entschwand er mit ihm zwischen den Bäumen.
5
V ON DEN S LAWEN nicht bemerkt oder in ihrer Absicht zu spät durchschaut, sickerten kleine Trupps sächsischer Krieger zu beiden Seiten des Weges in den Wald ein und markierten die äußeren Grenzen der gefährdeten Zonen. Noch bevor sie damit fertig waren, wurden sie von größeren Haufen überholt, die mit gezogener Waffe vordrangen und blitzschnell das gesamte Gebiet besetzten. Die Überraschung gelang. Als dem Gegner die Lage klar wurde, sah er sich mehreren Reihen gepanzerter Männer gegenüber, die bereit waren, den Kampf aufzunehmen. Nur ein Sturm oder starker Schneefall hätten jetzt noch etwas ändern können, aber die blieben aus. Zügig rückte der Rest des Heeres nach und passierte ohne Zwischenfälle den betreffenden Abschnitt.
Obwohl das ihr Vorankommen verlangsamen würde, ordnete Heinrich an, von nun an mit Flankenschutz zu marschieren. Wenn das Wetter so blieb, lief die Zeit für ihn. Auch konnte die Brandenburg nicht mehr weit sein. Seitdem sie sich wieder auf der Handelsstraße befanden, erwartete er die Vorentscheidung, weil er meinte, daß sie nur deshalb abgedrängt worden waren, damit der hevellische Herrscher seine Streitkräfte sammeln und heranführen konnte. Jetzt war er noch fester davon überzeugt, daß sie kurz vor einer großen Schlacht standen. Er hielt es für wenig wahrscheinlich, daß die Falle, der sie um Haaresbreite entgangen waren, das Werk bloß lokaler Mächte gewesen sein sollte, die, da sie sich unmittelbar bedroht fühlten, auf eigene Faust hatten losschlagen wollen. Daß der Handstreich so widerstandslos hingenommen worden war, sprach vielmehr dafür, daß der Feind seinen Plan von vornherein auf die Hilfe des Fürsten gebaut hatte. Gewiß hatte er jeden Augenblick mit dem Eintreffen des Brandenburger Aufgebotes gerechnet und daher bis zuletzt fieberhaft gearbeitet.
Diese Annahme bestätigte sich schon am folgenden Tag, als sie auf vier Dörfer stießen, die allem Anschein nach überhastet aufgegeben worden waren. Die Bewohner hatten lediglich das Vieh und die Vorräte mitgenommen, ihre sonstige Habe jedoch dagelassen. Spuren fanden sie nicht nur unter dem Neuschnee, der in der Nacht gefallen war, sondern auch darauf. Offenbar waren vereinzelte Leute zurückgekehrt, um noch nachträglich Sachen zu holen. Alle Spuren führten zu einer Burg, die sich inmitten eines Luches befand.
Nachdem die Dörfer niedergebrannt worden waren, bedrängten die Männer den König, die Festung sofort zu stürmen. Heinrich war anfangs nicht abgeneigt, gehörte es doch zu seinen Grundsätzen, Widerstand niemals ungestraft zu lassen, sofern er sich durch Milde nicht besondere Vorteile versprach. Bald aber kamen ihm schwere Bedenken. Die Burg war von mittlerer Größe und, wie es schien, gut befestigt. Schloß man von den verbrannten Häusern auf die Zahl der Familien, die sich hinter die Wälle geflüchtet hatten, würde man es mit einer stattlichen Menge kampffähiger Männer zu tun bekommen. Die verbitterten Menschen würden sich bis zum letzten Blutstropfen verteidigen. Es würde Verluste geben, hohe Verluste möglicherweise, die den Erfolg des Feldzuges gefährden konnten.
Eine Belagerung kam ebenfalls nicht in Frage. Da die Leute in der Festung ausreichend versorgt waren und zur Not ja noch ihre Tiere schlachten konnten, würde sie mehrere Wochen dauern. Einem Heer, dem noch die Blockade der Brandenburg bevorstand, war das kaum zuzumuten. Als die Späher meldeten, daß von der feindlichen Streitmacht weit und breit nichts zu sehen war, begann Heinrich sogar zu argwöhnen, daß ihnen der Gegner die Burg vielleicht als Lockspeise zugedacht hatte. Daher beschloß der König, die Festung zu verschonen und weiterzuziehen; schweren Herzens übrigens, weil der gefrorene Sumpf
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