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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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und begaben sich zu dem des Bischofs Bernhard. Vor einem Feldaltar, der bereits am Vortag aufgestellt worden war, sammelten sie sich und empfingen das Sakrament.
    Bernhard hatte nach der Kommunion eine Predigt vorgesehen. Er war gut vorbereitet und gewillt, vieles von dem nachzuholen, wofür in den letzten Wochen keine Gelegenheit gewesen war; der König sollte endlich spüren, was es bedeutete, wenn ein Bischof beim Heer weilte. Doch als er die übernächtigten Gesichter der Leute sah und ihre verkrampfte Art, sich zu bewegen, teilte sich ihm unwillkürlich die schreckliche Spannung mit, die alle erfüllte – so heftig und plötzlich, daß ihn ein Zittern befiel. Er begriff, daß er zu einer längeren Predigt außerstande sein würde, und da die Zeit ohnehin knapp war, beschränkte er sich auf einige aufmunternde Worte.
    »Ein weiser König zerstreut die Gottlosen und bringt das Rad über sie« – mit diesen Worten leitete er den Schluß seiner Ansprache ein. Sie waren noch nicht verhallt, da schob sich die Morgensonne über den Ostrand des Luches. Dieses wunderbare Zusammentreffen gab Bernhard seine Sicherheit zurück, und er bedauerte beinahe, daß er die Predigt nicht in der beabsichtigten Weise gehalten hatte.
    Die Männer drehten sich um und starrten stumm auf den erglühenden Horizont. Jemand psalmodierte, heiser und falsch, jedoch voll solcher Inbrunst, daß alle betroffen lauschten. Auf einmal brach er ab, und die Leute begannen zu murmeln. Links von der Sonnenkugel, dort, wo die Heveller ihr Lager aufgeschlagen hatten, waren Dampfwölkchen zu sehen, die sich von dem klaren Himmel deutlich abhoben. Der Feind hatte die Feuer gelöscht.
    Von der Burg ertönte Freudengeheul. Die Menschen standen dicht an dicht auf dem Wehrgang, fuchtelten mit den Waffen, hielten ihre Kinder hoch oder kippten aus Eimern Kot über die Brüstung. Tote Tiere wurden geschleudert und blieben auf der Wallböschung liegen. Außer Bernhard, der den Altar verpacken ließ, schaute kaum einer hin. Die Männer umringten den König und den Grafen, schworen ihnen Treue und Gehorsam. Danach geschah etwas Seltsames: Sie umarmten sich und flüsterten dabei, einige unter Tränen, Eide, einander jederzeit und unbedingt beizustehen. Zuerst waren es nur wenige, die nach dem Nachbarn griffen, ihn an sich zogen und für dieses und jenes um Verzeihung baten. Bald aber wurden alle von dieser Stimmung erfaßt. Wie von Sinnen streiften manche Krieger umher, auf der Suche nach jemandem, den sie noch nicht ihrer Hilfe und Zuneigung versichert hatten. Hier und da erklang Schluchzen.
    Heinrich sah mit unbewegter Miene zu. Es lag etwas Närrisches darin, daß diese rauhen Gestalten, die sich in den vergangenen Tagen bei jedem geringfügigen Anlaß gestritten hatten, nun auf einmal ihre Liebe füreinander entdeckten. Er ließ sie jedoch gewähren. Eine Schlacht war etwas Besonderes, nicht zu vergleichen mit den Raufereien und Scharmützeln, an welche die meisten dieser Männer gewöhnt waren. Auch der Einfältigste und Unerfahrenste fing an zu ahnen, was ihm bevorstand. Man würde es nicht mit einem Häuflein zu tun haben, sondern mit einer riesigen Masse, gegen die der einzelne, mochte er noch so mutig und stark sein, völlig machtlos war. Dieses entsetzliche Gefühl war den Leuten neu. Um es zu betäuben, mußte man sich bestätigen, selbst einer Masse anzugehören, ein Empfinden, dem mancherlei hinderlich war. Viele kannten einander allenfalls vom Sehen, hatten verschiedene Herren und verspürten daher nicht von vornherein die Neigung, sich für einen fremden Mann aufzuopfern. Diese Haltung hatte sich auch in den letzten Wochen nicht geändert. Ohne daß es allen so recht klar war, hatten die gegenseitigen Beteuerungen und Umarmungen den Zweck, das Versäumte nachzuholen und, soweit das möglich war, im letzten Augenblick noch so etwas wie ein Gemeinschaftsgefühl herzustellen.
    Am Horizont begann es zu pulsieren, ein formloses Gewimmel, von dem sich noch nicht ausmachen ließ, in welche Richtung es sich ausbreiten würde. Bald darauf durchschnitt der schaurige Klang von Tuben und Hörnern die Morgenstille. In der Burg wurde ebenfalls geblasen, so daß vom Wall die Krähen aufstoben. Siegfried riß den Arm empor, und als hätten sie darauf gewartet, gingen die Männer unverzüglich auseinander. Sie formierten sich zum Abmarsch.
    Heinrich trieb nicht zur Eile. Die Berichte der Späher besagten, womit er sowieso gerechnet hatte: daß die Heveller zwar

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