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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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langstielige Fußstreitäxte. Nachdem Siegfried für den Rest des Trupps, der mit den Tieren auf dem Weg verblieb, einen Stellvertreter bestimmt hatte, drangen sie in den Wald auf der Bachseite ein.
    Sie waren noch keine fünfzehn Schritte gegangen, da wurde Otto von einem Krieger am Ärmel gezogen. Dieser wies auf einen zweiten, der ihnen heftig zuwinkte. Siegfried machte den anderen Zeichen, auf ihren Plätzen zu bleiben, dann begab er sich mit Otto zu dem Mann, der inzwischen vor einer großen Fichte kauerte.
    »Was ist, Gero?« flüsterte Siegfried.
    »Fällt dir nichts auf, Herr Graf?«
    »Doch, die Farnwedel sind zertreten. Und jede Menge Fußspuren.«
    »Sieh mal«, sagte Gero. Er zeigte auf eine Stelle am Stamm, aus der etwa in Augenhöhe ein Aststummel ragte. Danach kratzte er mit seinem Messer auf beiden Seiten des Hölzchens herum, wobei er mühelos erst Borkenfetzen, dann Moosballen löste. Ein ringförmiger Einschnitt wurde sichtbar, der die Klinge des Dolches der Länge nach barg.
    »Der Baum ist angesägt worden«, stieß Siegfried hervor. »Doch warum zum Teufel haben sie den Ast reingesteckt?«
    »Als Keil«, erläuterte Gero. »Sicherlich hatte der Baum eine Neigung, und da haben sie ihn vorsichtshalber mit einem Keil verstärkt. Dann haben sie die Schnittstelle mit Moos und Rinde getarnt. Die Krümel wurden vergraben. Seht.« Er bohrte den Fuß in den Boden, warf etwas Erde auf, und zum Vorschein kam Sägemehl. »Alles andere könnt ihr euch selber denken.«
    »Nicht alles. Sprich weiter.«
    »Man haut den Keil weg und schlägt auf der entgegengesetzten Seite eine Kerbe; dann trennt man durch ein paar Hiebe von oben das Holz bis an den Einschnitt. Jetzt noch ein leichter Stoß, und der Baum fällt in die gewünschte Richtung.«
    »Und vermutlich nicht nur dieser eine.« Siegfried nickte anerkennend. »Wie bist du ihnen denn auf die Schliche gekommen?«
    Gero blähte die Nasenflügel. »Merkst du nicht? Es riecht ein bißchen nach frischem Holz. Und dann dieser Ast, wo für gewöhnlich keiner wächst. Den hätten sie besser verstecken sollen. Ansonsten haben sie aber gute Arbeit geleistet.«
    Es entstand eine Pause. Eine Bö strich über die Wipfel, entlockte der Fichte einen ächzenden Laut, worauf sich die vier unwillkürlich duckten.
    »Eins verstehe ich nicht«, sagte der Mann, der sie auf Gero aufmerksam gemacht hatte, »nämlich, daß wir noch heile Knochen haben. Wir sind so langsam geritten, trotzdem haben sie es nicht getan.«
    Siegfried verzog das Gesicht. »Weil sie nicht uns, sondern das ganze Heer wollten. Deshalb haben sie sich auch in aller Stille verdrückt. Damit, daß wir uns in den Wald wagen würden, hatten sie nicht gerechnet«, schloß er triumphierend.
    Seine Miene wurde wieder düster.
    »Bevor ich dich dem König für eine Auszeichnung vorschlage, mußt du mir aber noch etwas erklären, du schlauer Mensch. Die Leute, die die Bäume zu Fall bringen, haben doch gar keine Aussicht, davonzukommen. Beim ersten Geräusch stürmen unsere Männer in den Wald und erledigen sie. Sollten sie tatsächlich so verrückt sein, wegen einiger Toter bei uns ihr Leben aufs Spiel zu setzen?«
    Gero lächelte. »Ich halte jede Wette, daß wir nicht nur neben, sondern auch vor uns noch weitere angesägte Bäume finden. Andernfalls wären sie nicht fertig geworden. Weggeschlagen werden lediglich die hintersten Bäume, die jeweils vorderen Reihen fallen dann von allein. Diejenigen von uns, die beim ersten Axthieb in den Wald gerannt wären, hätten nicht einmal mehr sich selbst retten können.«
    Siegfried schloß die Augen, öffnete sie aber sofort wieder. »Diese elenden Hunde«, sagte er gedehnt, beinahe zärtlich. In diesen Worten lagen gleichermaßen sein Respekt vor der geschickt eingefädelten List wie die Erleichterung darüber, daß sie aufgedeckt worden war.
    Danach beratschlagten sie, was zu tun sei. Noch schwebten sie in höchster Gefahr, es lag daher nahe, den Wald schleunigst zu verlassen und ins Lager zurückzukehren. Siegfried verwarf diesen Plan jedoch. Ein plötzlicher Aufbruch würde beim Feind sicherlich Argwohn erregen, er würde ahnen oder befürchten, daß sie sein Vorhaben durchschaut hatten und – damit nicht alles umsonst war – die Bäume rasch noch umhauen. Abermals würden dann die Leute die Straße zu räumen haben (diesmal auf einem Abschnitt, der länger war als jeder andere bisher), und ihre Erbitterung würde sich gegen sie richten, deren Unternehmen nicht mehr

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