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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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für eine Reiterschlacht der ideale Boden gewesen wäre.
    Da wies Graf Siegfried, eben noch Befürworter eines sofortigen Angriffes, einen überraschenden Ausweg. Er glaube nicht, daß es die Leute in der Burg lange aushielten, denn diese sei für derart viele Menschen samt dem Vieh entschieden zu klein. Was passieren wird, ist klar: Sie werden zu streiten anfangen und sich bald gegenseitig den Schädel einschlagen. Wir können nachhelfen, indem wir dann und wann Brandpfeile in den Innenhof schießen. Außerdem wird sie das Vieh langsam zuscheißen. In spätestens einer Woche sind die da drin froh, wenn sie an der frischen Luft sterben dürfen.
    »Was macht dich so sicher?« erkundigte sich der König.
    »Ich habe die Häuser gezählt. Im Sommer hätten sie das Großvieh im Wald versteckt, jetzt konnten sie das wegen der Fährten nicht riskieren. Vielleicht gibt es auch noch andere Burgen in der Umgebung, doch da wir ihnen so dicht auf den Fersen waren, hatten sie keine Wahl.«
    Heinrich überlegte, sagte dann: »Sie werden die Tiere schlachten, oder wenigstens einen Teil.«
    Der Graf schüttelte den Kopf. »Welcher Bauer schlachtet denn sein Vieh, solange er noch zu fressen hat? Bevor sie die Tiere antasten, gehen sie sich erst einmal selber an die Kehle. Und zum Lohn dafür«, er lachte glucksend, »werden sie von ihnen zugeschissen. Es ist tatsächlich so einfach, du wirst sehen.«
    Er hob den Zeigefinger, zog die Augenbrauen hoch und stellte sich auf die Zehenspitzen, Gebärden, die sich bei ihm reichlich seltsam ausnahmen. »Hörst du?« flüsterte er. »Muhen, Quieken, Schnattern, wie auf einem Bauernhof, bevor die Tiere Futter kriegen. Dort drin muß schon jetzt der Teufel los sein.«
    Diese Bemerkung stammte fast wörtlich von Gero, dem der Graf auch den Einfall verdankte.
    Heinrich war noch längst nicht überzeugt. Das Ganze erinnerte ein bißchen an eine jener Geschichten, wie sie so häufig bei Trinkgelagen erzählt wurden: etwa die von einer Handvoll Mönche, die ein riesiges Heer zerstreut hatten, indem sie ihm zerbrochene Bienenkörbe entgegenwarfen. Je nachdem, wann und wo dieses Ereignis angesiedelt war, sollte es sich bei dem Feind abwechselnd um Araber, Awaren oder Normannen gehandelt haben. Mehr noch als die offenkundigen Übertreibungen störte den König an solchen Berichten, daß sie glauben machen wollten, ein Krieg sei hauptsächlich mittels Finten und Listen zu gewinnen. In Wirklichkeit machte er allzu schlaue Berechnungen gern zuschanden.
    Andererseits mochte Heinrich seinen Vorbehalten nicht so ohne weiteres die verlockende Aussicht opfern, nach wenigen Tagen Belagerung einen verlustlosen Sieg zu erringen. Für die Moral der Männer würde er unschätzbaren Wert besitzen. Konnte es dieses eine Mal nicht tatsächlich so einfach sein wie in jenen Geschichten, an denen man sich während langer Winterabende zu berauschen pflegte? Je öfter er sich diese Frage stellte, desto seltener fand er Gründe, sie zu verneinen. Allmählich bemächtigte sich seiner Vorstellung der Anblick eines Burghofes, in dem sich Menschen und Tiere Leib an Leib drängten, Frauen um ihre weinenden Kinder bangten, deren Väter bestürmten, endlich Abhilfe zu schaffen, und bis zum Äußersten gereizte Männer zähneknirschend beiseite rückten, wenn einer von ihnen Wasser, Nahrung oder Holz holen wollte; dazwischen das unvernünftige Vieh, das, sofern es noch nicht in der eigenen Jauche festgefroren war und entsetzlich litt, sich den beengten Verhältnissen noch weniger anzupassen vermochte. Ja, so mußte es sein: eine Hölle von Gestank und Schmutz, Schlaflosigkeit und Todesfurcht, in der jeder Schritt, den einer tat, für viele andere zu einer Pein wurde.
    Noch am gleichen Tag ordnete der König an, sich halbkreisförmig um die Burg zu legen und mit der Blockade zu beginnen. Wie Siegfried geraten hatte, wurden regelmäßig Brandpfeile abgeschossen, so daß die Belagerten ständig von scheuenden Tieren behelligt wurden. In das Gebrüll des Viehs mischten sich immer häufiger und lauter menschliche Stimmen.
    Trotzdem – nach drei Tagen gab es noch keinerlei Anzeichen einer Bereitschaft, sich zu ergeben. Die Verwünschungen, die vom Wehrgang heruntergerufen wurden, muteten alles andere als verzweifelt, vielmehr trotzig und entschlossen an. Abermals wurde Heinrich unsicher. Da meldeten Kundschafter das Anrücken der feindlichen Streitmacht.
    Sowie der Nachthimmel zu erblassen begann, traten die Männer aus ihren Zelten

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