Brennaburg
viele Fußkrieger, jedoch kaum Reiterei besaßen. Gewiß würden sie den Angriff suchen, und er hatte nicht die Absicht, ihnen schon jetzt zuvorzukommen. Entscheidend war, daß das Heer dem Feind überhaupt entgegenzog und ihn nicht im Stehen erwartete. Nicht nur wegen der Reiterei, deren Wirkung auch darauf beruhte, daß sie die Wucht des Aufpralls nutzte, sondern ebenso wegen des Fußvolkes, das zum größten Teil aus Knechten bestand und in der Verteidigung eher zu Flucht und Auflösung neigte als beim Stürmen. Obwohl es mit ihrer Kampfstärke nicht sehr weit her war, durften sie, zumindest am Anfang, um keinen Preis zurückweichen, weil das den Schlachtplan ernstlich gefährden konnte.
Der sah vor, daß das Fußvolk in zwei Haufen gegen die feindlichen Flügel zog. In die Gasse zwischen ihnen würde die leichte Reiterei stoßen und versuchen, das Zentrum zu spalten. Sobald sich der Kampf auf dem Höhepunkt befand, sollten die Panzerreiter die Heveller an der rechten Flanke packen und ihre Reihen ins Wanken bringen. Was die Menschen in der Burg betraf, so bereiteten sie dem König geringe Sorgen. Für den unwahrscheinlichen Fall, daß sie einen Ausfall wagten, würden sie von den Troßleuten mit Pfeilschüssen empfangen werden. Außerdem stand ein Trupp Berittener bereit, um sie wieder zurückzujagen.
Während sich die Panzerreiterei im Schatten der Festung auf den Saum des jenseitigen Waldes zubewegte, verließen die Fußtruppen das Lager. Beide Abteilungen waren an der Spitze durch ein paar Reihen besonders hochgewachsener Krieger miteinander verbunden, die dem Gegner den Blick auf den freien Raum hinter ihnen verstellen sollten. Berittene Ordner umschwärmten die Männer, ermahnten sie, sich zusammenzuschließen, stets auf die Feldzeichen zu achten und erst dann zu rennen, wenn es ihnen befohlen wurde. Das letzte war nötig, da in der Nacht ein mörderischer Frost eingesetzt hatte, so daß die Leute unwillkürlich schneller liefen, um sich zu erwärmen. Doch sie sollten ja ihre Kräfte sparen. So stapften beide Heere fast gemächlich aufeinander zu: das sächsische unter Absingen eines Glaubensliedes, das hevellische von den wilden Klängen seiner Bläser begleitet. Da sie im Pulverschnee ständig ausrutschten, ließen die Männer die Köpfe hängen, so daß ihr Gang etwas unkriegerisch Zielloses bekam.
Unwan, der von Siegfried bestimmte Anführer des Fußvolkes, ritt in der Mitte der beiden Haufen. Sein Auftrag bestand nicht nur darin, die Fußkämpfer auf den Feind zu hetzen, er hatte auch der Reiterei das Zeichen zum Abmarsch zu geben. Nicht zu früh und nicht zu spät, das ließ sich leicht sagen, doch wer vermochte zu entscheiden, wann genau das war? Da mußten Geschwindigkeiten und Entfernungen geschätzt, die Beschaffenheit des Bodens berücksichtigt und die Stimmung der Leute bedacht werden; das alles unter Bedingungen, die sich laufend änderten oder jederzeit ändern konnten. Auch mußte er einer Panik gewärtig sein und dann dafür sorgen, daß sie sofort unterbunden wurde. Angestrengt schaute er fortwährend mal nach vorn, nach hinten und zu den Männern rechts und links von ihm, die immer öfter die Köpfe drehten und sich zusammendrängten. Nur nicht zu zeitig, flüsterte es in ihm – nur nicht zu spät, kam das Echo.
Er vernahm eine Art Grollen. Es drang nicht sogleich in sein Bewußtsein, doch da wurde es lauter, und er begriff, daß es sich um einen Schlachtruf handelte. Es war ein verhaltenes Geräusch, das scheinbar nicht erschrecken wollte und gerade darum so bedrohlich klang. Unwan beruhigte sein Pferd und wandte sich dem Mann neben ihm zu, der ihn aus angstgeweiteten Augen anstarrte und nun, sei es, daß er den Blick mißverstanden oder einfach die Beherrschung verloren hatte, mit dem Feldzeichen das verabredete Signal – ein mehrmaliges Drehen – gab. Die Männer, die sie unaufhörlich beobachtet hatten, blieben daraufhin stehen und sahen sich um, ob die Reiter auch wirklich kamen.
Das war ein höchst gefährlicher Augenblick, und Unwan, ohne zu prüfen, wie sich der Gegner verhielt, erteilte den Befehl zum Losrennen. Im selben Augenblick wurde ihm klar, daß er einen Fehler begangen hatte. Das feindliche Heer machte keinerlei Anstalten, die Verwirrung auszunutzen. Und was ihm eben noch so schwierig vorgekommen war – den für den Angriff der Fußkrieger günstigsten Abstand zu bestimmen –, erschien ihm jetzt, da er sich entschieden hatte, auf einmal ganz leicht. Dieser
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