Brennaburg
gerutscht und gezerrt. Dann und wann gellen die Schreie derer, denen in dieser sonnenbeschienenen Winterlandschaft ihr einziges Leben genommen wird.
Bis zum Morgengrauen wurde gefeiert. Nachdem die bezechten sächsischen Krieger einige Stunden geschlafen hatten, weckte sie ein Hornsignal. Kurz darauf traten zwei Männer aus der belagerten Burg. Sie schwenkten ihre Waffen, legten diese dann ab und begaben sich zur Mitte des Knüppeldammes. Hier blieben sie stehen.
Heinrich beauftragte Siegfried, mit ihnen zu verhandeln, und weil der Graf der slawischen Sprache unkundig war, bestimmte er Gero zu seinem Begleiter.
Wenig später standen sie vor den beiden Männern. Diese verneigten sich wortlos. Danach faßte der ältere von ihnen in die Tasche seines Kittels und holte etwas hervor, das sich bei näherem Hinsehen als ein Haarbüschel entpuppte.
Siegfried prallte zurück. »Was nimmt sich dieser Hund heraus?« brauste er auf.
Gero musterte ihn besorgt. »Das ist die hiesige Art, uns ihre Unterwerfung anzuzeigen«, flüsterte er.
Der Alte nickte leicht, so, als wollte er diese Erklärung bestätigen. »Du Karl?« wandte er sich hierauf an Siegfried.
Der Graf blinzelte herablassend. »Das geht dich zwar nichts an, aber da du mich nun schon gefragt hast: Mein Name ist Siegfried, Graf Siegfried.«
»Er meint damit Kaiser Karl«, raunte ihm Gero zu. »Dessen Name ist den Slawen noch heute ein Begriff. Der Mann möchte dich auf diese Weise fragen, ob du der König bist.«
»Ich? Der König?« Auf Siegfrieds Gesicht erschien ein Lächeln, das er erfolglos zu verbergen suchte. Als er sich wieder in der Gewalt hatte, wies er mit dem Daumen nach hinten: »Dort Karl. Eigentlich heißt er Heinrich, aber wenn es euch so lieber ist … Erkundige dich jetzt nach ihren Wünschen.«
Zwischen Gero und dem Mann entspann sich ein Gespräch. »Es ist so, wie ich vermutete«, sagte Gero danach. »Falls wir sie verschonen, sind sie bereit, sich zu ergeben. Zugleich möchten sie einen Tribut entrichten. Sie wollen wissen, was wir verlangen.«
»Tribut!« Siegfried lachte geringschätzig.
»So beherrsche dich doch!« mahnte ihn Gero gedämpft.
»Also schön. Erzähle ihnen, was du willst.«
Gero richtete seine glänzenden Augen fest auf die Männer und begann, in einem strengen Tonfall auf sie einzureden. Seine Worte schienen Eindruck zu machen. Die bedrückte Miene des jüngeren lockerte sich allmählich auf, er nickte einige Male, zunächst sichtlich erstaunt, bald immer eifriger. Der ältere hingegen schaute Gero nur unverwandt an. Als dieser fertig war, bewegte er die Lippen, so, als wollte er etwas sagen. Er schwieg jedoch und verneigte sich lediglich.
Sowie sie gegangen waren, erkundigte sich Siegfried, was ihnen Gero denn nun versprochen habe.
»Gar nichts«, antwortete der trocken. »Ich habe ausschließlich Forderungen gestellt. Erstens – wir erhalten die Hälfte des Viehs und ihren Vorrat an Met. Zweitens – die Waffen dürfen sie nicht in der Burg lassen, sondern müssen sie in unserem Lager der Reihe nach auf einen Haufen werfen; danach haben sie niederzuknien, worauf ihnen die Haare gekürzt werden. Bei uns herrscht angeblich die Sitte, daß ein Mann nur dann als unterworfen gilt, wenn ihm der Sieger eigenhändig das Haar stutzt. Die Kinder sind davon ausgenommen.«
»Du bist wohl nicht bei Verstand! Warum zum Teufel läßt du sie bewaffnet ins Lager marschieren? Weißt du, was dir blüht, falls auch nur einer unserer Leute zu Schaden kommt?«
»Aber verstehe doch, Herr Graf«, sagte Gero langsam. »Von einem Tribut haben sie doch bloß gesprochen, um unsere Aufrichtigkeit zu prüfen. Das Risiko, das wir eingehen, wird sie überzeugen, daß uns vor allem daran liegt, sie zu demütigen und mit unserem Sieg zu prahlen. Selbst wenn sie im letzten Moment Verdacht schöpften, würde uns das weniger Männer kosten als die Erstürmung der Burg.«
»Und dieser Unfug mit den Haaren?«
»Nun, wie ich schon sagte … Sollte es trotzdem Zwischenfälle geben, hätten wir zudem vorher die Kinder ausgesondert. Wie du gehört hast, wünscht der König, sie für die Gefangenschaft aufzubewahren.«
»Hm.« Siegfried strich sich über den Bart und streifte Gero mit einem verstohlenen Blick. »Was bist du nur für ein durchtriebener Satan. Hoffen wir also, daß sie tatsächlich so dumm sind und den Kopf freiwillig in die Schlinge stecken.«
Gegen Mittag fing es an zu schneien. Bald darauf öffnete sich das Tor der Festung,
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