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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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hatte ihn Otto noch nie erlebt.
    Der beobachtete inzwischen das Mädchen. Ziemlich klein und schmal in den Schultern, wirkte sie dennoch überraschend kräftig. Kinn, Mund und Wangen waren sanft gewölbt, und wenn sie lächelte, schien sich das schöne Gesicht zu öffnen. Das honigfarbene Haar, an den Schläfen von einem Band zusammengehalten, floß in solcher Fülle den Rücken hinab, daß man meinen konnte, sie müsse jeden Augenblick das Gleichgewicht verlieren. Obwohl sie ruhig und kerzengerade dastand, verströmte sie Lebhaftigkeit, denn ihre Miene wechselte während Walters Vortrag ständig den Ausdruck. So blickte sie betrübt, wenn er davon sprach, daß jemandem Land geraubt werden konnte, befriedigt, nachdem sie erfuhr, daß ein beschriebenes Pergament dies verhindere, aufmerksam, als er ihr schilderte, wie das enthaarte Fell nach dem Trocknen mit Bimsstein geglättet wurde.
    »Jetzt mußt du aber etwas trinken«, sagte Walter. »Schlage es mir bitte nicht ab.«
    »Kleines Schluck, wenn du mir gibst.«
    Nachdem sie getrunken hatte, faltete sie die Hände vor der Brust, neigte den Kopf zur Seite und sagte ernst: »Walter, ich habe Bitte. Wirst du mir das heilen?« Sie bückte sich und reichte ihm einen Schuh, dessen Verschnürung gerissen war.
    »Morgen bekommst du ihn zurück. Genügt dir das?«
    »Aber ja, es genügt. Du bist guter Mensch.«
    »Wenn es weiter nichts ist …« Sein entstelltes Gesicht verzog sich zu einer Grimasse unverhohlener Freude. »Und wie geht es dir sonst?« fügte er hinzu. »Wo steckt eigentlich dein Bruder?«
    »Es geht mir gut«, erwiderte sie, auf einmal unruhig. »Tugumir ist zur Jagd geritten. Er möchte ein wildes Schwein töten.«
    »Was denn, schon wieder? Allmächtiger!«
    »Tugumir muß jeden Tag ein Tier töten«, erklärte sie. »Wenn er nicht macht, wird er böse.«
    »Dann schicke ihn doch zu mir, er könnte mir die Fliegen vom Hals schaffen. Wie ist es, wirst du ihm das ausrichten?«
    »Ja, ich werde.« Sie lächelte gezwungen. »Aber ich kann schon nicht mehr warten. Ich möchte von dir verabschieden, auch von Junge.«
    Erneut faltete sie die Hände, nickte ihnen zu und ging.
    Otto schaute ihr hinterher. Walter schabte auf dem Fell herum. Nach einer Weile richtete er sich auf, hustete und sagte: »Na, was ist?« Und als Otto nicht antwortete: »Sie hat dir doch nicht etwa gefallen, junger Herr?« Er lachte leise. »Bilde dir nur nichts darauf ein. Sie gefällt jedem, das darfst du mir getrost glauben.«
    »Sie ist sehr schön«, entgegnete Otto versonnen. »Aber nicht nur das, sie ist auch freundlich. Wenn sie lacht …«
    »Stimmt«, pflichtete ihm Walter bei und streifte Otto mit einem teils mißtrauischen, teils beifälligen Blick. »Andere lachen auch, aber nicht so wie sie. Weiß der Kuckuck, wo da der Unterschied ist. Übrigens ist sie nicht immer so. Du solltest sie einmal erleben, wenn sie ihr Brüderchen, diesen Satan, zurechtweist. Da funkeln ihre Augen, und der Mund geht nicht mehr zu. Sie ist nun so klein und jung, aber wenn sie wütend ist, vergißt du das.«
    Er ahmte die fremde Sprache nach, und beide lachten.
    »Und ihr Haar erst, wie?« Walter warf das Messer weg, nahm die Krücke und stemmte sich hoch. Hitzig fuhr er fort: »Stell dir vor, ich sitze über meiner Arbeit und merke kaum, was um mich herum vorgeht. Plötzlich ist mir, als ob eine Fackel über den Hof getragen wird. So sieht es nämlich aus, wenn die Sonne auf ihr Haar scheint.«
    Otto nickte widerstrebend. Die plumpe Begeisterung, mit welcher sich der andere über dieses Mädchen verbreitete, das immerhin die Tochter eines Fürsten war, begann ihn anzuwidern, und um ihn abzulenken, sagte er, was ihm gerade in den Sinn kam: »Verzeih meine Neugier. Doch wie alt bist du eigentlich?«
    »Bei mir hat niemand mitgezählt. Warum fragst du?«
    Walter betrachtete ihn prüfend. Auf einmal ließ er ein schallendes Lachen hören. »Hast du etwa Angst, daß ich dir in die Quere komme? Sei unbesorgt, ich könnte schließlich ihr Vater sein.« Er lachte abermals und schlug sich dabei vor Vergnügen auf den Beinstumpf.
    Otto verfärbte sich. »Das könntest du nicht«, sagte er heiser. »Im übrigen rate ich dir, niemals wieder so über sie zu sprechen.« Als er sah, daß Walter ebenfalls blaß geworden war, fügte er in einem versöhnlichen Ton hinzu: »Weshalb hatte sie es wohl so eilig?«
    Walter hatte sich gesetzt. Schnaufend griff er nach seinem Messer und legte es wieder beiseite. »Ich weiß

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