Brennaburg
schwieg.
»Jetzt machst du wieder das Gesicht. Warum? Du bist frei. Du bist Sohn von König. Dein Vater ist großer Held, du kleiner Held. Später bist du auch großer Held. Alles gut, Junge, stimmt?«
Nun mußte auch Otto lachen. »Von wegen klein! Mir scheint, verglichen mit dir bin ich fast ein Riese. Und sage bitte nicht Junge zu mir. Ich heiße Otto.«
»Einverstanden, Junge, sage ich Otto zu dir.« Sie prustete los, wurde aber sogleich wieder ernst. »Nicht vergessen: Warum guckst du so?«
»Ich wünschte, wir könnten von etwas anderem sprechen«, entgegnete er.
»Du willst nicht sagen?«
»Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll.«
»Versuche.«
»Das ist nicht so einfach … Es hängt nämlich mit dem Krieg zusammen«, fügte er zögernd hinzu. »Mit dem Krieg gegen euch.«
Sie blickte ihn ungläubig an. »Darum? Ihr habt gesiegt …«
»Ja«, erwiderte er gedehnt und fuhr, sie nicht aus den Augen lassend, fort: »Also gut, da du nur eine Frau bist …« Er hielt inne, senkte die Stimme, flüsterte: »Es geschehen Dinge, die man nicht billigen kann. So werden Gefangene getötet, ja selbst Kinder, falls man sich einen Vorteil davon erhofft. Im Grunde ist alles, was dem Sieg nützt, erlaubt.«
Auf das Gesicht des Mädchens hatte sich ein Schatten gelegt. »Machst du auch?« erkundigte sie sich. »Kinder töten?«
»Gott bewahre, nein! Ich könnte jedoch eines Tages in die Lage geraten, dergleichen befehlen zu müssen. Stelle dir vor, du möchtest eine Burg erobern. Für viele deiner Männer würde das den Tod bedeuten, weswegen du den Leuten in ihr zusicherst, daß du sie verschonst, wenn sie ohne Kampf kapitulieren. Nun sind sie so viele, daß du ein Viertel deines Heeres benötigen würdest, um sie zu bewachen. Außerdem mußt du sie auf dem Marsch ernähren. Ob es dir gefällt oder nicht, du bist gezwungen, sie zu töten. Und so stehst du ständig vor der Entscheidung, entweder den Deinen zu schaden oder dich zu beflecken. Für Großmut ist selten Raum.«
Sie schaute ihn zweifelnd an. »Aber hast du nicht gewußt?«
»Nein. Es ist wohl ein ungeschriebenes Gesetz, darüber nicht zu reden. Wortbruch begehen nur Ungarn, Dänen oder Slawen, wir kämpfen stets ritterlich. Hält man es bei euch etwa anders?«
Sie hob leicht die Schultern. »Jetzt weißt du«, sagte sie dann. »Und deshalb bist du traurig?«
»Wie sollte ich nicht!« rief er erregt. »Ist es vielleicht gerecht, einem Feigling das Leben zu schenken, weil man sich von seinen Angehörigen Lösegeld erhofft, einen Knaben aber, der tapfer gekämpft hat, zu töten, bloß weil er einem gerade hinderlich ist? Irgendwann, in zehn oder zwanzig Jahren, werde ich mit Gottes Hilfe König sein, und solange ich denken kann, freute ich mich auf diesen Tag. Nun habe ich Angst davor. Manchmal frage ich mich«, er bekreuzigte sich, »wozu ich überhaupt auf der Welt bin.«
Sie betrachtete ihn versonnen. »Jetzt bin ich auch traurig«, sagte sie. »Das ist nicht gut.« Und nach einer Weile: »Leider, Junge, nun muß ich gehen.«
Er schreckte auf. »Weshalb denn? Schön, reden wir von etwas anderem! Das ist mir sogar lieber.«
»Nicht darum. Ich muß zu einem Mann. Er will mir kleine Hühner zeigen. Aber ich komme wieder zu dir.«
»Kleine Hühner«, maulte Otto. »Die kann ich dir ebenfalls zeigen. Sofort und so viele du willst. Oder soll ich dir welche schenken?«
»Ich habe ihm versprochen«, sagte sie lächelnd.
»Was ist das für ein Mann?«
»Ein Bauer. Nicht weit von hier.«
»Dann werde ich dich begleiten.«
Ihre Miene verdüsterte sich. »Bitte nein«, sagte sie hastig. »Was wird er denken, wenn Sohn von König kommt? Er wird sich bestimmt fürchten. Ich werde ihm vorher sagen, und wir gehen andermal zusammen. Wenn du schon nicht mehr krank bist.«
Enttäuscht senkte er den Kopf. »Du willst nicht«, stellte er mißmutig fest. »Aber vielleicht hast du recht. Wie sieht das auch aus, wenn ich neben dir herhumpele … Ich rate dir übrigens, gib dich nicht zu oft mit solchen Leuten ab, Sie nützen das aus und werden frech, glaub mir. Auch hier bist du die Tochter eines Fürsten, das solltest du nicht vergessen.«
»Hier bin ich Gefangene«, entgegnete sie und stand auf.
»Auf ein Wort, junger Herr«, rief Walter, als Otto tags darauf den Hof überquerte. Dieser blieb stehen, zögerte, kam jedoch schließlich näher. »Was willst du?« fragte er kurz.
»Bitte, setze dich zu mir«, sagte Walter, und da Otto eine abwehrende
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