Brennaburg
Jahren gekommen wäre, beschloß, mit Salz bestreut, sein Leben in einem der Keller. Der Hof ertrank im Blut des geschlachteten Viehs. Federn wirbelten durch die Luft, blieben an Dächern und Bäumen hängen oder sanken auf die Pfützen nieder. In den betäubenden Blutgeruch mischte sich der von Kot und dem, was Hunde und Katzen erbrochen hatten. Mit gesenkten Köpfen und gedunsenen Bäuchen tapsten sie friedlich aneinander vorbei. Einige flüchteten in die Felder – als graute ihnen vor einem Ort, an dem sie verurteilt schienen, unentwegt zu fressen und zu verdauen.
Zahllose Singvögel stellten sich ein, jedoch bei weitem nicht genug, um der Fliegenschwärme Herr zu werden, die sich an dem Unrat mästeten. Nach den Krähen wagten sich auch Milane heran, die die Gelegenheit, sich vor der Winterreise noch einmal zu stärken, offenbar nicht ungenutzt verstreichen lassen mochten. Mißtrauisch beäugten sie das Getümmel, flatterten auf, wenn eines der Hoftiere sie streifte, spazierten aber bald wie Geflügel zwischen den Blutlachen umher. Niemand dachte daran, sie zu verscheuchen. Lediglich gegenüber den dreisten Ratten, die rasch begriffen hatten, daß sie ihre natürlichen Feinde unter diesen Umständen nicht zu fürchten brauchten, kannten die Menschen keine Schonung. Nachts schlichen Füchse und Marder am Zaun entlang, entlockten den übersättigten Hunden jedoch nur ein hilfloses Winseln.
Mehrere Tage mußten die Bewohner der Pfalz in dieser Hölle aus Gestank und Schmutz ausharren. Erst als das Ende der Arbeit abzusehen war, wurden außerhalb des Hofgeländes Gruben ausgehoben, in die man nicht nur die Abfälle, sondern auch die blutbesudelte Erde versenkte. Zugleich wurde allen Aasfressern, die sich nicht damit abfinden konnten, daß die fetten Tage vorbei waren, erbarmungslos nachgestellt.
Hierauf konnte sich das Gesinde jenen Tätigkeiten widmen, die ein Mindestmaß an Sauberkeit verlangten. Man rieb, mahlte, rührte, schnitt, schlug und stopfte, buk, kochte, pökelte und räucherte. Matratzen wurden geflickt, Bettzeug gelüftet, Fußböden gescheuert, Schüsseln gespült und Messer geschliffen. Da die Knechte und Mägde das alles nicht allein bewältigten, hatte man Hörige herangezogen, Leute, die es mit der Reinlichkeit zumeist nicht sehr genau nahmen und, wenn sie sich unbeaufsichtigt glaubten, deren strenge Gebote gern umgingen. Sorgen bereiteten auch die Beizvögel, denen die lautstarke Nähe so vieler prassender Artverwandter und Beutetiere offenbar aufs Gemüt geschlagen war. Drei Habichte und zwei Wanderfalken hatten sich in einem Anfall von Raserei so verletzt, daß sie zur Jagd nicht mehr taugten.
Einen Tag vor dem Eintreffen des Königs ging man schließlich daran, auf dem Hof Ordnung zu schaffen. Kinder kletterten auf die Bäume und schüttelten Federn von den Zweigen. Um den unerträglichen Geruch etwas zu mildern, wurden Blumen gestreut oder an Dächer oder Türen gebunden. Beinahe im letzten Augenblick entsann man sich des einbeinigen Knechtes, der im Zusammenhang mit der verhinderten Geiselflucht gehenkt und dessen Leiche zur Abschreckung hängengelassen worden war. Bischof Bernhard setzte durch, daß sie in geweihter Erde bestattet wurde. Als Boten die bevorstehende Ankunft der hohen Gäste meldeten, zeugten nur noch die Häute auf den Trockengestellen von den Mühen, die es gekostet hatte, ihren Empfang würdig vorzubereiten.
Gegen Mittag ertönte Hundegekläff, und bald darauf bevölkerten einige hundert Reiter die Wiese vor der Pfalz. Sowie sie abgesessen waren, wurden sie von Leuten umringt, die erst in Hochrufe ausbrachen und danach Becher mit erfrischenden Getränken verteilten oder die Pferde wegführten. Als das geschehen war, sonderte sich eine Gruppe ab und wurde durchs Tor geleitet. Es handelte sich um die königliche Familie, die gemeinsam mit den Großen des Landes ihre Unterkünfte auf dem Burgberg bezog. Alle anderen wurden, je nach ihrem Rang, in den Gebäuden des Wirtschaftshofes oder in benachbarten Gehöften untergebracht. Für die Bediensteten hatte man Heuböden und Scheunen als Schlafstätten hergerichtet.
König Heinrich hatte während der Begrüßung nach seinem ältesten Sohn Ausschau gehalten, ihn jedoch nirgendwo entdecken können. Plötzlich stieß die kleine Hadwig neben ihm einen Freudenschrei aus und wies auf eine Gestalt, die ziemlich abseits mit gekreuzten Armen an einem Baum lehnte. Sogleich eilte sie auf ihren Bruder zu.
Heinrich spürte, daß er
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