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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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besiegten Barbarenhäuptlings vermag ich für uns keinerlei Nutzen zu erkennen.«
    Otto kräuselte den Mund. »Dann muß dir ja diese angebliche Flucht wie ein Geschenk des Himmels erschienen sein«, sagte er, schlug jedoch dabei die Augen nieder. Offenbar spürte er, daß sich noch der eigene Spott gegen ihn richtete.
    Heinrich betrachtete ihn mit kalter Genugtuung. »Ich verlasse mich niemals auf Geschenke«, gab er zurück. »Du wiederum solltest dich nicht überschätzen und stets daran denken, daß du noch Brüder hast. Ich sehe deiner Jugend manches nach, doch hüte dich, mir jemals wirklichen Schaden zuzufügen.«
    Er ließ die Worte verklingen und sprach einlenkend weiter: »Worauf willst du übrigens hinaus? Das im Wald waren doch Slawen, oder? Du selbst, hörte ich, hast einen verwundet. Bei der Vernehmung dieses verräterischen Knechtes warst du auch zugegen. Die Nachrichten von dem Aufstand, an dem sich seltsamerweise die Heveller bislang nicht beteiligt haben – meinst du, man hat sie deinetwegen erfunden? Die Wahrheit ist, daß du hintergangen worden bist. Aber die willst du ja nicht sehen.«
    Otto sprang erbleichend auf. Er lief ein paarmal durch die Kammer, solange, bis er das Schluchzen, das ihn schüttelte, bezwungen hatte. »Wahrheit …«, sagte er tonlos und ließ ein knirschendes Lachen folgen. Plötzlich drehte er sich herum. »Wo ist sie jetzt?«
    »In einem Stift.«
    »Darf ich mit ihr reden?«
    »Vorläufig nicht. Wenn du ein bißchen älter und wieder bei Verstand bist – meinetwegen. Sofern du dann überhaupt noch willst. Gegenwärtig, das wirst du nicht bestreiten, würdest du alles glauben, was sie sagt. – So. Und nun möchte ich wissen, wie du dich unseren Gästen gegenüber zu verhalten gedenkst. Überlege genau, bevor du mir antwortest.«
    Otto trat zum Fenster. Während er seine Tränen trocknete, schaute er mit einem gesammelten Ausdruck zu Boden; es sah aus, als lausche er in sich hinein. Schließlich wandte er dem Vater das zerquälte Gesicht zu und stieß hervor: »Ich spucke auf deine Drohungen. Ich spucke auf deine Lügen. Ich spucke auf alles, was du gesagt hast und noch sagen wirst. Ich weiß, daß ich Milorada nicht wiedersehen werde. Du willst es nicht, du hast die Mittel, es zu verhindern, und du wirst diese Mittel gebrauchen. Sei ohne Sorge, mir ist nicht nach Rache zumute, schon gar nicht an deinen … Gästen. Hoffe jedoch nicht, daß ich dir ähnlich werde. Denn das ist es doch, was du dir heimlich wünschst! Doch dies, ich schwöre es dir, wird niemals geschehen. Du bist mir fremd. Alles, was du unternimmst, dient irgendwelchen Zwecken, und alle enden sie bei dir. Ich aber bin anders, und es wird dir nicht gelingen, mich zu ändern.«
    Heinrich stand ebenfalls auf, setzte sich indes sofort wieder und schlug die Beine übereinander.
    »Spucke nur, du Narr«, sagte er gelassen, »wenn dein Rachen trocken ist, hörst du von selbst auf. Und tue immer, was ich dir befehle, dann wird es dir gutgehen. Bist du erst einmal König, kommt alles weitere von allein. Nicht, weil ich mir das wünsche, sondern weil es das Leben so will. Bis dahin erlaube ich dir, im Schutz meiner schäbigen Macht deine edlen Gefühle zu hätscheln.«
    Er hielt inne und fügte hinzu: »Vielleicht ist es mir noch vergönnt, gemeinsam mit dir über sie zu lachen.«

4
    N OCH EIN HALBES Menschenalter später wird sie, wenn sie zurückdenkt, zuerst einen hohen blauen Himmel vor sich sehen.
    Freilich, da sind auch andere Erinnerungen. Auf dem Platz vor der Kirche verspritzt ein Priester Wasser; die Leute drängen ins Dunkel, plötzlich eine alte Frau, sie zittert, muß gestützt werden, hält die Hand in einen Kessel, schreit. Ein Hahn wird geschlachtet, sein Kopf fällt zu Boden, wo sich der Schnabel unter den bereits gebrochenen Augen ein letztes Mal öffnet. Ein Schwein, dem Blut aus den Ohren rinnt, bevor es strauchelt. Vor allem aber Küken, winzig wie junge Mäuse, ein riesiger Korb voll, der von diesen Scheusalen überquillt.
    Doch mit alldem verbinden sich keine Empfindungen. Wirklich, so scheint es ihr, waren allein dieser hohe Himmel gewesen, das Rauschen der Bäume, die Berührungen und die guten Worte, die wohlige Ermattung. Nur einige Wochen hätte das gedauert? Unvorstellbar! Und Sommer soll es gewesen sein. Indes, sie kann sich nicht an Sonne, Staub und Hitze entsinnen, sondern lediglich an sanfte Kühle, ungetrübte Bläue …
    Wann hatte das geendet? Womit? Nicht mehr zu

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