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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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Quedlinburg verursacht hatten, bis ins kleinste Überlegungen, die eben allein diesen Ort und nicht etwa Memleben oder Wallhausen in Betracht kommen ließen. Mit den Gefühlen, die sie füreinander hegten, hatten sie indes nichts zu tun.
    Ausgangspunkt einer dieser Überlegungen war König Heinrichs Vermutung, daß die Slawen – vor allem jene, von denen er, da sie sich kampflos unterworfen hatten, keine Geiseln gefordert hatte – gewiß bald versuchen würden, das sächsische Joch wieder abzuschütteln. Es stand außer Zweifel, daß sie sich hierzu der Teilnahme oder gar Führerschaft des mächtigen Brandenburger Fürsten versichern würden, ebenso, daß dieser einen solchen Wunsch nicht ablehnen konnte, ohne seinem Ansehen schweren Schaden zuzufügen. Das würde ihn vor die Wahl stellen, seine Kinder entweder zu opfern – was wenig wahrscheinlich war –, oder zu versuchen, sie zu retten. Ein Befreiungsversuch würde folglich auf einen bevorstehenden Aufstand hindeuten, gegen den man sich dann rechtzeitig wappnen konnte.
    Um dem Feind Gelegenheit zu geben, mit den Gefangenen in Verbindung zu treten, hatte sich Heinrich für einen Ort entschieden, der so weit von der Grenze entfernt lag, daß er die Gegenseite nicht zu einem überraschenden Überfall verleitete, wiederum die Herstellung von Kontakten auch nicht unnötig erschwerte. Auf die Quedlinburg war seine Wahl gefallen, weil sich der hiesige Vogt, ein geborener Ränkeschmied, bei vergleichbaren Unternehmungen schon des öfteren bewährt hatte. Jetzt brauchte man das Mädchen nur noch an der langen Leine laufen zu lassen, und dann würde man sehen.
    Auch mit Ottos Anwesenheit in Quedlinburg hatte es eine besondere Bewandtnis. Ohne ihn davon in Kenntnis zu setzen, hatte der König vor geraumer Zeit eine Gesandtschaft nach England geschickt, die für den Sohn beim dortigen Herrscher um die Hand einer seiner Schwestern werben sollte. Da der Sachse nicht wußte, was man auf der Insel von ihm hielt, wollte er der künftigen Schwiegertochter einen ungefähren Eindruck von der Größe ihrer neuen Heimat vermitteln, wozu sich eine längere Reise gut eignete; deren Endstation und Höhepunkt würden – das ergab sich ganz zwanglos – die reichen Güter des Harzes und seiner Umgebung sein. Für das Gedeihen der angestrebten Ehe schien es zudem besser, wenn Otto seiner Braut möglichst gekräftigt und vor allem frei von jenen sonderbaren Stimmungen gegenübertrat, unter denen er seit dem Feldzug litt: Auch dies ein Grund, das Zusammentreffen der beiden noch eine Weile hinauszuzögern. Und da den Sohn mit Quedlinburg Kindheitserinnerungen verbanden, hatte es nahegelegen, daß er die Zeit bis zu seiner Genesung hier verbrachte.
    Am Schnittpunkt solcher Erwägungen also hatten sich zwei Menschen kennengelernt, die meinten, ihre Begegnung sei, als Zufall maskiert, durch den Willen höherer Mächte zustande gekommen. Wie man nun weiß, verhielt es sich jedoch genau umgekehrt. Was Milorada und Otto zufällig schien, war mit Absicht und Berechnung ins Werk gesetzt worden, und was sie für notwendig hielten, war – zumindest nach Ansicht des Königs – nichts weiter als ein Zufall. Ein, wie sich leicht denken läßt, höchst unerwünschter.
    Dabei hatte Heinrich die Nachricht über diese Beziehung anfangs durchaus wohlwollend, ja sogar beifällig aufgenommen, sah er doch in ihr ein untrügliches Zeichen dafür, daß sein Sohn geheilt war. Dem trübsinnigen Schwächling, den er verlassen hatte, traute er eine Eroberung jedenfalls nicht zu. Das Vergnügen des Königs war so groß, daß er die Kunde unverzüglich an seinem Hof verbreitete, wobei er mit humorvollen Bemerkungen nicht sparte: Niemand solle sich unterstehen, die Geschichte an die Öffentlichkeit zu tragen, denn wenn sich herumspräche, was weibliche Geiseln in sächsischem Gewahrsam erwarte, laufe man Gefahr, bald mit all jenen Herrschern Krieg führen zu müssen, deren Töchter unverheiratet geblieben seien.
    Gegenüber Bischof Bernhard drückte er sich noch derber aus. Dieser hatte ihn zuerst auf das Verhältnis aufmerksam gemacht und sich zu der Behauptung verstiegen, daß Otto der Heidin rettungslos verfallen sei. In Heinrichs Augen war das jedoch bloß ein erneuter Versuch des Bischofs, sich ihm aufzudrängen und in Dinge zu mischen, die ihn nichts angingen. Um ihn in die Schranken zu weisen, hatte er seine Vermutung durch grobe Worte ins Lächerliche gezogen. Als aber auch der Vogt Befürchtungen

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