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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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zur Folge hatte, daß der Anger am nächsten Morgen mit gestohlenen Gegenständen übersät war. Zufrieden, daß die ungewöhnliche Kraftprobe gelungen war, ließ Heinrich sie einsammeln und, soweit es sich nicht um kirchliches Gerät handelte, danach erneut verteilen: an die geretteten Frauen, aber auch an all jene, die noch rechtzeitig erkannt hatten, daß es sich nicht ziemte, der königlichen Freigebigkeit vorzugreifen.
    Dies beanspruchte fast den ganzen Tag. Als man zum Ende kam, begann es gerade zu dämmern. Am Abend zuvor hatte sich der Wind gelegt, seither war es spürbar wärmer geworden. Von den Bäumen tropfte es unablässig. Dann und wann rutschten Schneebatzen die Dächer hinunter und schlugen dumpf am Boden auf. Es roch nach Rauch, nach nassem Holz, nach Erde und nach Kot … Obwohl in den Häusern geheizt worden war, lagerten alle im Freien. Sogar die Kranken. Denn der Qualm, von der feuchten Luft am Entweichen gehindert, machte den Aufenthalt in den Räumen unerträglich. Die Leute hatten deshalb draußen Feuer entzündet. An ihnen saßen sie jetzt, tranken Kräuterbier, schwatzten mit den Frauen oder sangen.
    Heinrich und die Grafen hatten sich ebenfalls um ein Feuer geschart und hier die heimkehrenden Aufklärer empfangen. Diese meldeten, daß die Ungarn noch während der Nacht die Saale überquert hätten. Nachdem der letzte Kundschafter abgefertigt war und sich zu seinen Gefährten gesellt hatte, erschollen Hochrufe. Die Krieger waren aufgestanden und schauten zum König, der sie jedoch mit einer abwehrenden Gebärde aufforderte, wieder Platz zu nehmen.
    »Das Gesindel ist uns also entkommen«, sagte Thankmar bedächtig. »Nicht entkommen – du hast sie vertrieben, Vater«, verbesserte er sich sofort. »Das ist, wie du feststellen konntest, die Ansicht des gesamten Heeres.«
    Der König verzog den Mund, als habe er Zahnschmerzen. »Nun ja«, sagte er mit einem kleinen Lachen, »wäre es nur nach ihnen gegangen, hätten sie uns gewiß schwerlich so schnell verlassen.«
    Die Grafen schmunzelten beifällig, und selbst das verschlossene Gesicht des Bayern hellte sich etwas auf. Allein in Ottos Miene regte sich nichts. Das Kinn in die linke Hand gestützt, starrte er wie abwesend in die Dunkelheit. Heinrich folgte dem Blick des Sohnes, gewahrte aber, weil von den Flammen geblendet, lediglich einen undeutlichen Schimmer. Sobald sich seine Augen an die Finsternis gewöhnt hatten, erkannte er, daß es die nackten Füße der Gehenkten waren, welche Ottos Aufmerksamkeit fesselten. Er berührte ihn an der Schulter. »Und wie lautet deine Meinung?« fragte er, in einem Ton, als scherze er. »Da wir schon einmal dabei sind …«
    »Entkommen oder vertrieben«, erwiderte der Sohn, »ich weiß es nicht. Mag sich der bewußte Mönch mit derlei Spitzfindigkeiten abplagen.«
    Verärgert rückte Heinrich von ihm ab. »Er wird schreiben, was man ihm aufträgt«, versetzte er nach einer Pause beherrscht. »Und es könnte sein, daß du es dann bist, der darüber zu befinden hat … Graf Puchard, mein eigensinniger Verbündeter«, wandte er sich plötzlich an den Bayern, »du wirst mir nicht ausweichen. Sage mir offen, was du Herzog Arnulf berichten wirst.«
    Puchard, der dem Wortwechsel lächelnd gelauscht hatte, schaute ihn verblüfft an. »Lassen wir doch sie entscheiden«, schlug er schließlich vor und zeigte auf ein Mädchen, das, an einen Baum gelehnt, neugierig zu ihnen hinübersah.
    Der König nickte stumm, worauf ihr der Graf mit einer Handbewegung bedeutete, näher zu treten. »Du mußt uns helfen, mein Kind. Soeben erfuhren wir, daß sich die Ungarn empfohlen haben, und jetzt rätseln wir, ob wir sie verjagt haben oder entwischen ließen. Was ist deine Auffassung?«
    Das Mädchen strich sich verwirrt übers Haar. »Ich verstehe dich nicht, Herr«, entgegnete es zögernd und fügte lebhaft hinzu: »Aber sind sie denn nun weg oder nicht?«
    In Tilleda angelangt, beschenkte der König die Grafen und löste das Heer danach auf. Anschließend zog er sich in seine Gemächer zurück und verließ sie erst wieder, als eine knappe Woche später, von Graf Siegfried begleitet, seine Angehörigen eintrafen: die Gemahlin Mathilde, Ottos jüngere Geschwister Heinrich und Hadwig sowie die Schwiegertochter Editha mit den Enkeln Liudolf und Liudgard. Beide Frauen erzählten, daß sich die Flucht der Ungarn mit Windeseile im Lande herumgesprochen habe und von Menschen jedweden Standes, Alters und Geschlechts stürmisch

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