Brennaburg
begriff er: Die Bussarde und Krähen, die während des gesamten Marsches über der Vorhut geflattert hatten, waren verschwunden. Die Abteilung stand. Ein Reiter löste sich von ihr und preschte ihnen entgegen. »Sie sind dagewesen, Herr König«, rief er atemlos. »Überall Pferdedreck und zerstampfter Schnee … Was befiehlst du?«
Heinrich dachte nach. »Reiht euch auf dem linken Flügel ein, ihr untersteht ab sofort Graf Günther. Dieser sowie Heribald sollen schleunigst zu mir kommen. Richte das Thankmar aus … Und du«, wandte er sich an einen der Leibwächter, »bringst mir Bernward und Christian her. Zuvor kümmere dich um die Männer vom Troß. Sie mögen die Gäule ausspannen und satteln, die Wagen bleiben hier.«
Puchard schob sich heran. »Was nun, König Heinrich?« fragte er schleppend. »Wie es scheint, haben die Ungarn nicht die Absicht, sich an deinen Schlachtplan zu halten. Ich bin neugierig, bei wem du dich diesmal beschweren willst.«
Heinrich beachtete ihn nicht. Angestrengt spähte er über seine Gefolgsleute hinweg, die den Grafen mit feindseligen Blicken maßen und dabei tuschelten. Währenddessen beugte sich Otto vor und betrachtete Puchard, als sähe er ihn zum erstenmal. Plötzlich fing er an zu lachen, so fröhlich und ungezwungen, daß ihn alle erstaunt anschauten.
»Darf man den Grund deiner Heiterkeit wissen?« erkundigte sich der Bayer herablassend.
Otto nickte. »Selbstverständlich, Graf Puchard«, sagte er herzlich. »Nimm es mir nicht krumm, aber ich malte mir gerade aus, was für ein Prachtstück von einem Gehenkten du abgeben würdest. Bekanntlich dehnt sich der Leib nach ein paar Tagen, und bei deiner Länge …«
Der spöttische Ausdruck in Puchards Miene verflog. Entgeistert starrte er Otto an. Schließlich straffte er sich, zuckte die Schultern und sagte, mitten in das Gelächter der Leibwächter hinein: »Du bist albern, junger Mann.«
»Recht hast du«, pflichtete ihm der König bei. »Wo mein Sohn doch unterrichtet sein sollte, daß man Männer wie dich nicht zu hängen, sondern zu enthaupten pflegt.«
Die Ankunft der Grafen beendete das Geplänkel. »Es gilt, meine Freunde«, sagte Heinrich, als sie sich um ihn versammelt hatten. »Allzuweit können sie kaum sein, denn Tausende Berittene jäh zurückzuziehen, ohne daß es zu einem Durcheinander kommt, dazu sind sogar sie nicht imstande.«
»Sie sind es, und du weißt das sehr wohl«, widersprach ihm Puchard sogleich. »Sonst hättest du dich nicht darum bemüht, sie so nahe wie möglich heranzulocken.«
»Wenn es die Gegend erlaubt – ja. Diese macht es ihnen nicht eben leicht. Zudem ist hinter ihnen der Wald. Vor Wäldern graut ihnen, denn dort ist es aus mit ihrer Kunst. Bevor sie ihn durchqueren, werden sie sich deshalb vermutlich beraten, und das kostet Zeit. Im übrigen haben wir keine Wahl.«
»Verzeih, Herr König, aber wozu sie beunruhigen?« meldete sich nun auch der Franke zu Wort. »Geben wir ihnen doch lieber die Gelegenheit, ungestört ihr Lager abzubrechen. Mit der Beute und den Gefangenen dürften sie uns nicht mehr entrinnen.«
»Nein«, sagte Heinrich und schüttelte entschlossen den Kopf, »ich kenne sie besser. Jetzt, da ihnen klar ist, daß sie in einer Schlacht gegen uns nichts auszurichten vermögen, werden sie jedes Risiko vermeiden und auf die Beute zunächst verzichten. Freilich besteht die Gefahr, daß sie uns entwischen. Trotzdem müssen wir ihnen nach, solange ihnen der Schreck in den Knochen steckt. Gestatten wir ihnen erst, sich zu besinnen, könnten sie nämlich versucht sein, uns zu umgehen. Was uns dann in den nächsten Wochen erwarten würde, brauche ich euch nicht zu erklären.« Er räusperte sich und fügte hinzu: »Das ist die Lage, ihr Herren. Habt ihr noch Fragen? Nein?
So eilt zu den Euren und veranlaßt alles Notwendige.«
Die Grafen ritten davon. Wenig später nickte der König dem Befehlshaber der Leibwache zu, worauf dieser das Feldzeichen mit dem Bildnis des Erzengels Michael herumwirbelte. Trab!
Die Hatz begann, fand aber bereits eine Meile vor dem Wald ein unvermutetes Ende. Wie die gespreizten Finger einer Hand liefen die Spuren hier auseinander. Heinrich ließ halten, und während das Heer aufrückte, brachte man etliche verletzte Ungarn an, deren Pferde anscheinend beim Überspringen von Hecken gestürzt waren. Die Gefangenen bestätigten, woran ohnehin nicht länger zu zweifeln war: daß sich die gegnerische Streitmacht geteilt hatte und in mehreren
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