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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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gefeiert werde.
    Die folgenden Monate bewiesen dem König, daß sie nicht übertrieben hatten. Nach wie vor im Zweifel, wie man den Ausgang des Krieges einst bewerten würde, nahm er erleichtert zur Kenntnis, daß es anscheinend keineswegs immer bedeutender Eroberungen und blutiger Schlachten bedurfte, um zu Ruhm zu gelangen. Denn während er das kampflose Verschwinden ›seiner‹ Ungarn als Fehlschlag betrachtete, urteilten die meisten Leute genau umgekehrt und zeigten sich davon stärker beeindruckt als von jedem seiner bisherigen Siege; vermutlich, weil sie hierin die Gewähr erblickten, daß die Nomaden nun für einige Zeit Frieden hielten.
    Heinrich wußte, daß das ein Irrtum war, und es erstaunte ihn deshalb, mit welch überschwenglicher Begeisterung man ihm huldigte. Tag für Tag mußte er Bauern empfangen, die ihm den Dank ihrer Gemeinden abstatten wollten. Sie kamen aus allen Teilen des Reiches und hatten sich häufig ohne die Erlaubnis ihrer Herrschaften auf die Reise begeben. Kniend stammelten sie ihre Verehrung heraus, bezeichneten ihn als ihren Vater und gelobten, ihr Leben lang für ihn zu beten und ihre Söhne nach ihm zu nennen.
    Auch die Großen sandten Glückwünsche. Es gratulierten die Bischöfe und Äbte, die Herzöge und Grafen, und selbst der westfränkische König Rudolf schickte eine Botschaft, die in wohlgesetzten Worten Heinrichs Feldherrentalent würdigte und seinen Sieg mit demjenigen Karl Martells über die Araber verglich. Ähnlich schmeichelhaft fiel die Einschätzung der fahrenden Sänger aus, welche die Frage, ob die Ungarn vertrieben worden oder entkommen seien, längst dahingehend entschieden hatten, daß diese erst geflohen wären, nachdem sie den König erkannt hätten – eine Darstellung, die sich ihrer Anschaulichkeit wegen rasch verbreitete.
    Ritt er aus, war er bald von Kindern umringt. Man küßte sein Schwert, den Steigbügel, den Sattel, das Pferd und sogar dessen Spuren. Tore und Mauern der Höfe, auf denen er weilte, waren ständig mit Blumen oder Früchten geschmückt, und die Wege, die in die umliegenden Orte führten, schon vor seiner Ankunft von umgestürzten Bäumen geräumt und ausgebessert, Arbeiten, zu denen sich die Bauern sonst nur widerwillig bereitfanden. Auf das Gerücht hin, er wolle jagen, versammelten sich über Nacht an die hundert Männer vor der Pfalz, die nicht eher wichen, als bis er ihnen versprach, daß er sich bei nächster Gelegenheit ihrer Hilfe bedienen werde.
    Das Ansehen, das er genoß, übertraf seine kühnsten Erwartungen. Doch obgleich er hätte glücklich sein müssen, war er es nicht. Statt Zufriedenheit empfand er häufig Unruhe, statt Freude eine sonderbare Leere, und da diese Gefühle immer stärker wurden, begann er schließlich zu fürchten, daß sie eine schleichende Krankheit ankündigten.
    Es war eine Bemerkung des dreizehnjährigen Heinrich, durch die er zu der Einsicht gelangte, daß die Ursache seiner Mißstimmung woanders zu suchen sei. Als man eines Abends beisammensaß und wieder einmal jener glorreichen Märztage gedachte, sagte der Junge in eine Pause hinein: »Was ist, wenn die Ungarn nicht zurückkehren, Vater? Dann hast du ja nichts mehr zu tun.«
    König Heinrich, von den einfältigen Worten zutiefst getroffen, erbleichte. Für einen Moment war ihm, als gäbe es in der Tat nichts mehr zu tun, als habe er das Seine vollbracht und als sei seine Gegenwart bei allem Weiteren eigentlich gar nicht notwendig … Plötzlich vernahm er das Gelächter der anderen, und ihm fiel es wie Schuppen von den Augen. Wahrhaftig, schalt er sich erlöst, du solltest diese verdammten Ungarn endlich vergessen. Über Jahre hinweg haben sie dich nun beschäftigt, gleichgültig, wo du warst und wessen Blut du gerade verspritzt hast. Darum trauerst du ihnen nach wie ein Witwer seiner verstorbenen Frau. Doch jetzt sind sie fort, lerne also gefälligst, auch ohne sie zu leben. Noch bist du kein Greis, dem lediglich Erinnerungen geblieben sind …
    »Sei unbesorgt«, sagte er lachend, »für einen König gibt es stets genug zu tun.«

Zweiter Teil
    D ER L EGAT

ERSTES KAPITEL
1
    A NFANG A UGUST N EUNHUNDERTSECHSUNDDREISSIG , fünf Wochen nach dem Ableben König Heinrichs, wurde sein ältester Sohn aus zweiter Ehe in Aachen zum neuen Herrscher des ostfränkischen Reiches gewählt. Heinrich selbst hatte Otto zum Thronerben bestimmt, und noch im Juli hatten die Großen den Wunsch des inzwischen Verstorbenen bestätigt. Dabei waren sie zunächst

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