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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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Kolonnen der Grenze zustrebte.
    Niedergeschlagen tat der König das, was ihm noch zu tun verblieb. Um ein Täuschungsmanöver ausschließen zu können, sandte er Kundschafter aus, welche die Ungarn bis zur Saale – oder was immer ihr Ziel sein mochte – verfolgen sollten. Danach ordnete er an, die Wagen zu holen, und als diese eingetroffen waren, führte er die Krieger in das Dorf, das den Kern des feindlichen Lagers gebildet hatte. Nahezu zweihundert völlig entkräftete Menschen wurden befreit und die Beute der Eindringlinge in Besitz genommen. Wie sich zeigte, waren sie tatsächlich nicht wählerisch gewesen. Vom silbernen Salbgefäß bis zum hölzernen Becher, vom Chormantel bis zum einfachen Kittel, vom edelsteinverzierten Kreuz bis zum knöchernen Amulett, vom Schwert bis zur Sichel hatten sie offenbar nichts, das nur einigen Wert besaß, verschmäht.
    Den Leuten gingen die Augen über. Staunend reichten sie die herrenlosen Schätze herum und betasteten diese, anfangs noch scheu, schon bald jedoch so selbstverständlich, als handele es sich um feilgebotene Waren. Ein Thüringer hob einen goldenen Leuchter empor und betrachtete ihn verzückt. Auf einmal küßte er das Stück, rief, daß es Eigentum seiner Kirche sei, und rannte mit ihm weg. Verblüfft sahen die anderen dem Mann nach, Wutschreie ertönten, und dann geschah, was geschehen mußte. Außer sich vor Gier, warfen sie die Karren um, schlitzten die Planen auf und wühlten sich in die herausquellenden Sachen. Sie stöberten und zerrten, jubelten und schimpften, stritten und schacherten, und es dauerte nicht lange, da entbrannten an manchen Stellen Prügeleien.
    König Heinrich hatte sofort nach seiner Ankunft ein Haus am Rande des Dorfes bezogen. Von einer jähen Schwäche befallen, hatte er sich auf einer Bank ausgestreckt und zu schlafen versucht, war indes durch den Lärm daran gehindert worden. Fluchend war er an eines der Fenster getreten und beobachtete jetzt erbost, wie sich sein stolzes Heer in einen Haufen Plünderer verwandelte.
    Gewiß, er hatte mit Übergriffen gerechnet und, das gehörte sich schließlich so, vorher ausstreuen lassen, daß er sie bestrafen würde – in Wahrheit aber vorgehabt, sie stillschweigend zu dulden; denn ein gewonnener Krieg ohne Beute, wann hätte es den jemals gegeben! Daß solches Treiben ein paar zertrümmerte Schädel kostete, hätte den König an sich ebenfalls nicht weiter gestört. Doch was sich die Leute dort aus den Händen rissen, war ja nicht schlechthin Beute: Es war auch der Unterpfand jener Hoffnungen gewesen, um die ihn die Vorsehung so grausam betrogen hatte. Sein wundes Herz bäumte sich auf, und ihm schien plötzlich, daß der glanzlose Sieg nicht noch durch Diebstahl befleckt werden dürfe.
    »Pack«, murmelte er und spürte, wie bei diesem Wort seine Erschöpfung verflog. In seinem Gesicht zuckte es, er beugte sich vor, befahl den Anführer der Leibwache zu sich und eröffnete ihm, daß er einen Spaziergang zu unternehmen gedenke, auf dem er von einigen Männern des Gefolges unauffällig begleitet zu werden wünsche.
    Als er kurz darauf durch den Ort schritt, waren die Raufereien schon wieder im Abklingen. Die meisten Krieger hatten ihr Schäfchen wohl ins trockene gebracht, und wer bislang leer ausgegangen war, machte sich beim Nahen des Königs eilig aus dem Staube.
    Heinrichs Zorn schwand, abermals fühlte er, wie müde er eigentlich war. Er blieb stehen und spähte lustlos umher. Wen sollte es treffen? überlegte er. Wem mochte es bestimmt sein, für die Sünden aller zu büßen? Und woran würde er ihn erkennen? Ein Sachse mußte es sein, soviel stand fest.
    In diesem Moment bemerkte er zwei junge Burschen vom Troß, die neben einer Scheune in einem vergoldeten Meßbuch geblättert hatten und sich nun anschickten, es fortzutragen. Auch sie hatten ihn entdeckt. Sie lächelten beschämt und schauten ihn wie ertappte Kinder fragend an, ohne eine Spur von Dreistigkeit und offenbar bereit, auf einen Wink von ihm ihre Absicht aufzugeben. Davon angetan, wollte er sie lediglich anfahren, doch da fiel ihm ein, daß sich diejenigen, denen er statt dieser beiden begegnet wäre, kaum anders verhalten hätten. Und so lächelte er zurück, vorwurfsvoll und aufmunternd zugleich, solange, bis sie sich mit ihrem Raub endlich entfernten. Unschlüssig blickte er ihnen hinterher, drehte sich dann um und gab das vereinbarte Zeichen.
    Eine Weile später wurden sie gemeinsam mit den Gefangenen gehenkt, was

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