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Brennen Muss Salem

Brennen Muss Salem

Titel: Brennen Muss Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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vom vergangenen Jahr.
    Burke war dreiundsechzig Jahre alt und hatte noch zwei Jahre bis zu seiner Pensionierung; trotzdem unterrichtete er noch alle Klassen in englischer Literaturgeschichte und fand sogar Zeit für andere schulische Aktivitäten. Im Herbst wollte man ein Stück aufführen, und er hatte soeben die Lesung einer Komödie in drei Akten mit dem Titel ›Charleys Problem‹ beendet.
    Er hatte ein Dutzend Schüler gefunden, die bereit waren, ihre Rollen auswendig zu lernen (um sie dann in tödlich monotonem Tonfall herunterzuleiern), und drei Jungen, die eine Spur von Talent zeigten. Am 30. Oktober sollte das Stück zur Aufführung gelangen. Matt hatte eine Theorie entwickelt, derzufolge ein Schulstück einer Dose Campbell-Suppe gleichen sollte: langweilig, aber nicht schlecht. Jedenfalls würden alle Verwandten kommen und begeistert sein. Auch der Theaterkritiker vom ›Cumberland Ledger‹ würde anwesend sein und eine Hymne verfassen, weil er dafür bezahlt wurde, jede lokale Aufführung zu loben. Die Hauptdarstellerin (heuer war es vermutlich Ruthie Crockett) würde sich in ein anderes Ensemblemitglied verlieben und nach der Premierenfeier wahrscheinlich ihre Jungfräulichkeit verlieren.
    Matt Burke war gerne Lehrer. Disziplinhalten lag ihm weniger, und damit hatte er sich alle Chancen vergeben, es jemals bis zum Direktor zu bringen. Aber das störte ihn nicht. Er hatte in kalten Klassenzimmern, inmitten von umherfliegenden Papierdrachen und Wurfgeschossen Shakespeares Sonette gelesen; er hatte sich auf Reißnägel gesetzt und sie geistesabwesend weggefegt, während er der Klasse befahl, Seite 467 aufzuschlagen; er hatte Schubladen geöffnet, um Aufsatzhefte herauszunehmen und statt dessen Grillen, Frösche und einmal eine einen Meter lange schwarze Schlange gefunden.
    Wie ein einsamer alter Seefahrer die sieben Meere, so hatte er die Weiten der englischen Sprache durchstreift, vom Hauptsatz bis zum Gerundium, von Chaucer bis zu Steinbeck. Seine Finger hatten eine gelbliche Färbung angenommen, nicht vom Nikotin, sondern vom Kreidestaub; und auch dieser war das Zeichen einer Leidenschaft.
    Die Kinder liebten und verehrten ihn nicht. Aber viele von ihnen lernten, ihn zu respektieren, und einige wenige lernten von ihm, daß jede echte Hingabe an eine Sache, sei sie auch noch so exzentrisch oder bescheiden, etwas Bemerkenswertes sein kann. Er liebte seine Arbeit.
    Jetzt stieg er in sein Auto ein, gab zuviel Gas, überschwemmte den Vergaser, wartete und startete nochmals. Er suchte im Radio die Rock and Roll-Station von Portland und drehte den Ton zur vollen Lautstärke auf. Rock and Roll gefiel ihm.
    Er besaß ein kleines Haus an der Taggart Stream-Straße und hatte kaum jemals Besucher. Er hatte nicht geheiratet, und außer einem Bruder in Texas, der nie von sich hören ließ, besaß er keine Verwandten. Er war ein einsamer Mensch, aber die Einsamkeit hatte ihn nicht zu einem Sonderling gemacht.
    Bei der Ampel an der Kreuzung von Jointer Avenue und Brock Street blieb er stehen, dann fuhr er zu seinem Haus. Die Schatten waren schon lang, und das letzte Tageslicht hatte eine seltsame Wärme angenommen - flach und golden flimmerte es wie das Licht auf einem impressionistischen Gemälde. Burke blickte nach links, sah das Marstenhaus - und blickte nochmals hin.
    »Die Fensterläden«, sagte er laut in die Beatmusik hinein.
    »Die Fensterläden sind wieder da.«
    Er warf einen Blick in den Rückspiegel und sah, daß ein Auto in der Einfahrt geparkt war.
    »Wohnt jemand dort oben?« Die Frage war an niemanden Bestimmten gerichtet, und Burke fuhr weiter.

    18 Uhr.
    Susans Vater, Bill Norton, der erste Stadtrat von Salem's Lot, stellte erstaunt fest, daß Ben Mears ihm gefiel – sogar sehr gut gefiel. Bill war ein großer kräftiger Mann mit schwarzem Haar, wie ein Lastwagen gebaut und auch Mitte der Fünfzig noch nicht fett. Er hatte die Oberschule verlassen, um zur Marine zu gehen, und hatte sich dort emporgearbeitet. Er war kein aggressiver Anti-Intellektueller wie es manche sind, die es vielleicht hätten weiter bringen können, aber für die »Kunstjünger«, wie er die langhaarigen Kerle mit den sanften Augen bezeichnete, die Susan dann und wann ins Haus brachte, hatte er keine Sympathien. Wie sie sich anzogen und wie sie ihre Haare trugen, das war ihm gleichgültig. Was ihn ärgerte, war, daß keiner von ihnen so etwas wie Lebensernst zu besitzen schien. Auch von Floyd Tibbits, dem Jungen, mit dem Susan

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