Brennen Muss Salem
steht, ist ein Fall von lokomotorischer Ataxie, von Scheintod. Das Gespenst, das in der Ecke eines Kinderzimmers zittert und schlottert, ist ein vom Windzug bewegter Haufen Decken.
Er war beinahe weißgeblutet.
Kein Ton aus Mikes Zimmer. Vermutlich schlief der Gast wie ein Sack. Matt stand auf, knipste das Licht an und ging zum Fenster. Im kalten Mondlicht konnte er das Dach des Marstenhauses sehen.
Ich habe Angst.
Es war schlimmer; Matt hatte Todesangst. Was waren die alten Schutzmittel gegen eine unaussprechliche Gefahr? Knoblauch, ein Kruzifix, eine Hostie, rinnendes Wasser.
Leise, aber deutlich klangen die Worte, von Mike Ryerson gesprochen, durch das stille Haus: »Ja, komm herein.«
Matts Atem stockte, dann stieß er einen tonlosen Schrei aus.
Sein Magen schien zu Blei zu werden. Was, um Himmels willen, wurde da in sein Haus eingeladen?
Ein ganz leiser Laut, als der Fensterriegel sich öffnete. Dann das Reiben von Holz an Holz, als das Fenster geöffnet wurde.
Matt könnte jetzt laufen. Laufen, die Bibel aus dem Eßzimmer holen, zurücklaufen, die Tür zum Gästezimmer aufreißen und die Bibel hochhalten: Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes befehle ich dir, zu verschwinden –
Aber wer war dort oben?
Ruf mich, wenn du irgend etwas brauchst.
Ich kann nicht, Mike. Ich bin ein alter Mann. Ich habe Angst.
Dunkelheit hüllte Matts Denken ein und sandte ihm furchtbare Bilder, die inmitten von Schatten tanzten. Weiße Gesichter, riesige Augen, scharfe Zähne, Gestalten, die mit langen dürren Händen nach ihm griffen, nach ...
Er stöhnte auf und bedeckte das Gesicht mit den Händen.
Auch wenn die Tür zu seinem eigenen Zimmer aufgegangen wäre, er hätte jetzt nicht aufstehen können. Die Angst lähmte ihn, und er wünschte nur, daß er niemals zu Dell's gegangen wäre.
Ich habe Angst.
Und während er in der schrecklichen Stille des Hauses unbeweglich auf seinem Bette saß, hörte er das süße, böse Gelächter eines Kindes - und dann das Saugen.
Zweiter Teil
8
Ben (III)
Jemand mußte schon eine ganze Weile geklopft haben, denn Ben vermeinte das Echo des Klopfens zu hören, während er sich langsam aus dem Schlaf kämpfte. Draußen war es dunkel, und als Ben nach der Uhr griff, warf er sie zu Boden.
»Wer ist da?« rief er.
»Ich bin es, Eva, Mr. Mears. Ein Anruf für Sie.«
Ben stand auf, zog eine Hose an und öffnete die Tür. Draußen stand Eva Miller in einem weißen Bademantel und ihr Gesicht hatte die Verletzlichkeit eines Menschen, der noch nicht ganz erwacht ist. Sie sahen einander an, und Ben dachte: Wer ist krank? Wer ist gestorben? »Ein Ferngespräch?«
»Nein, es ist Matthew Burke.«
Diese Nachricht brachte nicht die erwartete Erleichterung.
»Wie spät ist es?«
»Kurz nach vier Uhr. Mr. Burkes Stimme klingt sehr erregt.«
Ben ging hinunter und nahm den Hörer. »Hier spricht Ben, Matt.«
Matt atmete schwer. »Können Sie herüberkommen, Ben?«
»Ja, gut. Was ist los? Sind Sie krank?«
»Nicht am Telefon. Bitte, kommen Sie.«
»In zehn Minuten bin ich bei Ihnen.«
»Ben?«
»Ja.«
»Haben Sie ein Kruzifix? Oder ein Christophorus-Medaillon? Irgend etwas derartiges?«
»Nein. Ich bin – ich war Baptist.«
»Macht nichts. Kommen Sie rasch.«
Ben hängte auf und lief die Treppe hinauf. Eva stand da, die Hand auf den Treppenpfosten gestützt, das Gesicht aufgelöst vor Aufregung und Unentschlossenheit. Einerseits wollte sie Neues erfahren, sich aber anderseits nicht in die Angelegenheiten ihres Mieters einmengen.
»Ist Mr. Burke krank, Mr. Mears?«
»Er sagt, nein. Er bat mich nur ... Sind Sie katholisch?«
»Mein Mann war katholisch.«
»Haben Sie vielleicht ein Kruzifix im Haus oder einen Rosenkranz?«
»Ja, das Kruzifix meines Mannes. Ich könnte ...«
»Würden Sie bitte ...?«
Sie latschte mit ihren pelzgefütterten Pantoffeln den abgetre-tenen Streifen auf dem Teppich entlang.
Ben ging in sein Zimmer, zog ein Hemd an und schlüpfte barfüßig in seine Schuhe. Als er herauskam, stand Eva mit einem Kruzifix in der Hand an der Tür. »Vielen Dank«, sagte er.
»Hat Mr. Burke darum gebeten?«
»Ja.«
Sie runzelte die Stirn und wurde ein wenig wacher. »Burke ist nicht katholisch. Ich glaube nicht, daß er überhaupt zur Kirche geht.«
»Er hat mir nichts erklärt.«
Eva gab Ben das Kruzifix. »Bitte, achten Sie darauf, es hat einen großen Wert für mich.«
»Das versteh' ich. Natürlich.«
»Ich hoffe, Mr. Burke ist nicht krank.
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