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Brennen Muss Salem

Brennen Muss Salem

Titel: Brennen Muss Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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anhalten.« Er runzelte die Stirn.
    »Zum Abendbrot hatte ich eine Büchse Fleisch mit Gemüse, aber ich konnte sie nicht essen. Schon vom Hinsehen wurde mir ganz übel. Wie wenn man einen Riesen-Kater hat, und jemand zeigt einem etwas Eßbares.«
    »Du hast gar nichts gegessen?«
    »Ich versuchte es, doch kam das Essen wieder hoch. Dann ging es mir ein wenig besser. Ich ging eine Weile spazieren. Und dann legte ich mich wieder ins Bett.« Seine Finger fuhren alten Bierringen auf dem Tisch nach. »Bevor ich zu Bett ging, hatte ich Angst. Wie ein kleines Kind, das sich vor dem bösen Wolf fürchtet. Ich ging herum und kontrollierte, ob alle Fenster geschlossen seien. Und ich ließ das Licht brennen.«
    »Und gestern frühmorgens?«
    »Hmm? Nein .. . Gestern bin ich erst abends um neun Uhr aufgestanden.« Wieder versuchte er sein klägliches Kichern.
    »Ich dachte, wenn das so weitergeht, schlafe ich tagein-tagaus.
    Und das tut man ja bekanntlich, wenn man tot ist.«
    Matt schaute Mike besorgt an. Floyd Tibbits stand auf, warf eine Münze in die Musikbox und begann, Songs auszu-wählen.
    »Komisch«, sagte Mike, »mein Schlafzimmerfenster war offen, als ich aufstand. Ich muß es selbst geöffnet haben. Ich träumte ... jemand sei am Fenster gewesen und ich sei aufgestanden ... um ihn einzulassen. Wie man einen alten Freund einläßt, der friert oder ... Hunger hat.«
    »Wer war es?«
    »Ach, es war ja nur ein Traum, Mr. Burke.«
    »Aber wer war es im Traum?«
    »Ich weiß nicht. Ich wollte essen, doch schon der Gedanke verursachte mir Übelkeit.«
    »Was hast du-dann getan?«
    »Ich sah fern. Dann ging ich wieder ins Bett.«
    »Hast du die Fenster verschlossen?«
    »Nein.«
    »Und hast den ganzen Tag geschlafen?«
    »Gegen Abend bin ich aufgewacht.«
    »Schwach?«
    »Und wie.« Mike fuhr mit der Hand über sein Gesicht. »Ich fühl' mich so elend!« rief er mit erstickter Stimme. »Es ist eine Grippe, nicht wahr? Ich bin doch nicht ernstlich krank?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Matt.
    »Ich dachte, ein Glas Bier würde mich aufheitern, aber ich kann es nicht trinken. Die letzte Woche ... sie war wie ein böser Traum. Und ich hab' Angst. Schreckliche Angst.« Er legte die schmalen Hände über die Augen, und Matt sah, daß Mike weinte.
    »Mike?«
    Keine Antwort.
    »Mike. Ich möchte, daß du heute abend zu mir kommst und in meinem Gastzimmer schläfst. Einverstanden?«
    »Gut. Mir ist alles gleich.« Apathisch wischte Mike sich über die Augen.
    »Komm, gehen wir.«
    Als Matt an die Tür klopfte, sagte Mike Ryerson: »Kommen Sie nur herein.« Matt brachte einen Pyjama. »Vielleicht ist er zu groß –«
    »Brauch' ich nicht, Mr. Burke. Ich schlaf in der Unterhose.«
    Matt fiel auf, wie schrecklich blaß Mikes ganzer Körper war.
    »Dreh den Kopf nach der Seite, Mike.«
    Folgsam drehte Mike den Kopf.
    »Mike, woher hast du diese Male?«
    Mike berührte seinen Hals unterhalb des Kiefers. »Ich weiß nicht.«
    Matt ging zum Fenster. Der Schnapper war geschlossen. Von draußen preßte sich die Dunkelheit gegen das Glas. »Ruf mich, wenn du irgend etwas in der Nacht brauchst, Mike.«
    »Gut.«
    Zögernd, mit dem Gefühl, es gäbe dort noch anderes zu tun, verließ Matt das Zimmer.
    Er schlief überhaupt nicht, und das einzige, was ihn davon abhielt, Ben anzurufen, war die Gewißheit, daß in der Pension schon alle schliefen.
    Matt beobachtete, wie die Leuchtzeiger seines Weckers von dreiundzwanzig Uhr dreißig auf null Uhr zu wanderten. Das Haus war unnatürlich still.
    Was du denkst, ist Wahnsinn.
    Doch Matts Verdacht wurde immer stärker. Bei ihm, dem literarisch gebildeten Mann, war es natürlich das erste gewesen, was ihm in den Sinn gekommen war, als Jimmy Cody ihm Danny Glicks Fall erzählte. Er und Cody hatten gemeinsam darüber gelacht. Vielleicht war das nun die Strafe für dieses Lachen.
    Kratzer? Diese Male waren keine Kratzer. Das waren Bißwunden.
    Natürlich hatte man gelernt, daß es derlei Dinge nicht gibt.
    Diese Dinge aus Coleridges ›Cristabel‹ oder Bram Stokers ›Märchen vom Bösen‹ waren nur Ausgeburten der Phantasie.
    Natürlich gab es Monster; das waren die Männer, die ihre Finger am Drücker von Thermonuklearwaffen in sechs Ländern hatten, die Flugzeugentführer, die Massenmörder, die Kindesmißhandler. Aber doch nicht solche. Man wußte es besser. Das Teufelsmal auf der Brust einer Frau ist ein Muttermal. Der Mann, der aus dem Grab wiederaufersteht und im Leichenhemd vor der Tür

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