Brennende Hunde
und wunderte sich
über sich selbst. Eine seiner goldenen Regeln lautete: Mische dich nie in das
Privatleben deiner Klienten.
„Sie meinen, Buster verlassen?“ Rita McCullum schüttelte
den Kopf. „Mr. Dess“, fuhr sie fort, „Sie sind ein großer, stattlicher Mann,
wie ich sehe. Sie besitzen Stärke, Selbstbewußtsein … Aber es gibt auch andere
Geschöpfe. Geschöpfe wie mich, die von der Natur dazu bestimmt sind, in
Abhängigkeit von anderen zu leben. Wie also könnte ich selbst über mein Leben
bestimmen, da ich nicht das Format dazu habe? – Buster verlassen? Gut, aber was
dann? Auch mit Federn kann ein Büffel nicht fliegen, wie mein Vater immer
sagte.“
„Sie verpassen sehr viel, Mrs. McCullum“, erwiderte Dess.
„Es ist nur die Trägheit, in der wir verharren, die uns davon abhält, glücklich
zu sein.“
Rita McCullum lachte schrill auf. „Sie klingen wie ein
Achtzehnjähriger“, sagte sie dann. „All die Ideale und guten Vorsätze, mit
denen man uns füttert, wenn wir noch Kinder sind – zu was sind sie gut? Sie
führen uns das Bild eines möglichen Lebens vor Augen, das es nur als seltene
Ausnahme gibt. Wir sind nicht dazu bestimmt, glücklich zu sein. Glück existiert
nur als Idee. Wie die Liebe. Und vielleicht stimmen Sie mir zu, wenn ich sage,
daß wir einzelnen Exemplare uns zu wichtig nehmen. Und weshalb? Weil Instinkte
uns lenken. Die dumme Sehnsucht nach dem Glück ist nichts anderes als ein
primitiver Egoismus. – Glauben Sie an Gott, Mr. Dess? Wenn ja, dann wissen Sie,
daß Leben leiden bedeutet.“
„Es ist kein Verbrechen, sich selbst wichtigzunehmen“,
erwiderte Dess. „Das Verbrechen besteht lediglich darin, sich zu wichtigzunehmen.“
„Womit wir wieder bei meinem Mann wären. Das meinten Sie
doch?“
„Wahrscheinlich“, hörte Dess sich sagen, und er spürte,
wie eine diffuse Traurigkeit sich in ihm auszubreiten versuchte, eine Traurig-keit,
die alles, was er war und tat, in Frage stellte, jede Gewißheit, an die er zu
glauben versuchte, aufsaugte und einschrumpfen ließ, alles auf die surreale
Größe eines Schwarzen Lochs reduzierte, dessen innerster Kern die Verzweifelung
war.
In diesem Augenblick ertönte die harte Stimme Buster
McCullums.
„Ich hoffe, meine Frau hat Sie nicht zu sehr gelangweilt,
Mr. Dess. Eines der wenigen Talente, das in ihr bis zur Vollkommenheit
ausgereift ist.“
Alle Traurigkeit war plötzlich verschwunden, der Haß
gegen McCullum kehrte zurück.
„Ganz im Gegenteil“, entgegnete Dess. „Ich habe das
Gespräch mit Ihrer Frau vollauf genossen. Eine charmante, kluge
Gesellschafterin.“
„Mr. Dess, ich beginne, ernstlich an Ihrem
Urteilsvermögen zu zweifeln. Es ist mir nie in den Sinn gekommen, das Wort klug
mit Rita in Verbindung zu bringen.“
McCullum lächelte böse und sah hinab auf seine Frau. Das
Lächeln auf seinen Lippen erstarb, als er Dess’ Hand an seiner Kehle spürte.
Auf seinem Gesicht erschien ein Ausdruck des Erstaunens. Dess’ Finger drückten
zu, McCullum bekam keine Luft mehr.
„Lassen Sie’s gutsein“, hörte Dess die Stimme von Rita
McCullum. „Es lohnt die Mühe nicht.“ Dann verließ sie das Zimmer.
Dess nahm die Hand von der Kehle McCullums, auf dessen
Gesicht der Zorn Platz genommen hatte wie ein Diktator auf seinem Thron.
„Das war ein großer Fehler, Mr. Dess“, sagte er schließlich.
„Sie werden ihn bereuen!“
Die Ohrfeige katapultierte McCullum aufs Sofa.
„Mr. McCullum, Sie müssen vorsichtig sein. Daß Sie sich
noch auf freiem Fuß befinden, haben Sie einzig und allein dem Umstand zu
verdanken, daß Sie selbst als Täter im Moment eher unwichtig sind. Zwar sind
Sie kein Mörder, aber Lt. Malvick und ich sind uns sehr wohl im klaren darüber,
zu welchem Zweck Sie den Van mit falschem Kennzeichen hatten. Sie sind nur
deshalb auf Kaution entlassen worden, weil sich der Lieutenant erhofft, über
Sie an die Mörder zu kommen. Sie sind der Köder, McCullum. Und Sie haben
Feinde. Mächtige Feinde, die versuchen, Sie fertigzumachen. Nichts käme mir im
Augenblick gelegener, als Sie diesen Feinden zu überlassen und zuzusehen, wie
Ihr wunderbares Leben in Stücke zerbricht. – Und wenn Sie nichts dagegen haben,
sollten wir uns jetzt zu meinem Wagen begeben. Wir haben heute abend noch etwas
vor, wie Sie wissen.“
Buster McCullum starrte Dess haßerfüllt und gleichzeitig ungläubig
an. Alle würden sie bezahlen müssen, und an erster Stelle dieser
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