Brennende Hunde
perfekt, ein gottgleiches Wesen.
Oder bist du anderer Meinung?“
Ehe Love antworten konnte, unterbrach das Klingeln seines
Mobiltelefons die Situation. Er legte die Waffe beiseite und nahm das Gespräch
in Empfang.
„Ja?“
„Neue Anweisung für Sie, Mr. Love. – Lassen Sie Monroe am
Leben. Ihr Honorar erhalten Sie trotzdem.“
„Sie haben mir einen Auftrag erteilt, und ich werde ihn
ausführen“, erwiderte Love.
„Die Sache ist zu heiß geworden. Deshalb noch mal und
deutlich: Finger weg von Monroe!“
„Keine Chance“, beharrte Love. „Aufträge, die ich
angenommen habe, pflege ich auch auszuführen. Überlegen Sie sich das nächste
Mal vorher, ob sie jemanden wirklich töten lassen wollen.“
„Sie tun das, was Ihnen gesagt wird, Mr. Love, oder Sie
werden Ärger bekommen!“ sagte die Stimme auf der anderen Seite.
„Jetzt hör’n Sie mal zu, Neal …!“
„Woher kennen Sie meinen Namen?“
„Ich bin ein Profi. Ich recherchiere, wer meine
Auftraggeber sind. Und jetzt, Neal, hör’ mir genau zu. Du wohnst am Canyon
Drive 2025 und fährst einen dunkelblauen Lincoln, den du morgen nicht mehr
brauchen wirst – weil du dann tot sein wirst, Neal. Hast du gehört?“
„Was soll dieser Scheiß? Ich gebe nur weiter, was man mir
gesagt hat.“
„Zu spät. Bestell deinen Leuten, daß Monroe bald
vollkommen sein wird – genauso wie du.“
„Ich gebe nur die Anordnungen wei …“
Love hatte das Gespräch gekappt und schaute wieder zur
Decke hinauf. Er konnte Menschen, die es sich anders überlegten, nicht
ausstehen. Es zeigte, daß sie vor ihrer ursprünglichen Entscheidung nicht
sorgfältig genug nachgedacht hatten.
***
Dess’ massiger Leib ruhte in einem weißledernen Sessel. Das
zierliche Glas Orangensaft, das McCullums Haushälterin ihm gebracht hatte,
schien in seiner riesigen Hand zu verschwinden wie ein Stein auf dem Grund
eines Sees. Dess blickte sich um. Der Raum, in dem er auf McCullum wartete, um
mit ihm einen nächtlichen Ausflug nach Downtown L.A. zu unternehmen, wartete
stumm und geduldig darauf, daß irgendjemand oder irgendein Ereignis ihm endlich
Leben einhauchen würde. Alles in diesem Zimmer wirkte kalt und steril und hatte
sicherlich gute Chancen, von der Redaktion der Zeitschrift Öder Wohnen einen
Preis zu bekommen. In Dess’ erweckte es den Eindruck, in den eisigen Regionen
der Arktis zu sein. Nicht nur die Möbel und Wände waren weiß, sondern auch der
gekachelte Boden, die Vorhänge, die kolossalen, jedoch schlanken
Lautsprecherboxen, ja selbst die Blumenvasen und die Lilien darin, die vielen
Zierobjekte und die überall verteilten Aschenbecher. Es hätte Dess nicht
erstaunt, wenn selbst die Zigarren, die McCullum hier rauchte, weiß gewesen
wären. Die Gefahr, entweder schneeblind oder wahnsinnig zu werden, wuchs mit
jeder Minute. Dess’ Anzug, ein schwarzer eleganter Dreiteiler, wirkte an diesem
Ort gleißender Sterilität wie ein häßlicher Fleck. Kein Zweifel, die Farbe des
Bösen war weiß, und Dess unterdrückte das Verlangen, den Inhalt seines Glases
auf den Boden zu schütten, um den sinistren Zauber dieser Atmosphäre zu
brechen. Statt dessen stand er auf, um sich ein wenig umzusehen.
Im Zimmer befanden sich keinerlei Fotos – nicht von
Jodie, nicht von Rita McCullum – und auch keine anderen Bilder. Dess bemerkte,
wie seine Abscheu gegenüber Buster McCullum noch wuchs. Mehr noch: Sein Haß
diesem Menschen gegenüber schwoll an, als türme sich eine Wand vor ihm auf, die
es gelte niederzureißen. Und ohne daß er sie hatte eintreten hören, stand
unvermutet Rita McCullum neben ihm und sagte: „Sie müssen Mr. Dess sein, der
Privatdetektiv.“
Dess drängte den Haß gegen seinen Auftraggeber tief in
sein Unterbewußtes zurück, verscheuchte jeden privaten Gedanken, jedes Gefühl,
und konzentrierte sich statt dessen auf Rita McCullum.
„Guten Abend“, begrüßte er sie.
„Ein schreckliches Zimmer, finden Sie nicht? Überhaupt
ein schreckliches Haus“, bemerkte Mrs. McCullum. Sie trat näher an ihn heran
und schaute ihn intensiv an, als suche sie etwas in seinem Gesicht, was sie
dort vermutet, aber nicht sogleich gefunden hatte. Da er schwieg, lächelte sie
ein wenig verlegen, dann setzte sie sich auf die Armlehne des Sessels, in dem
noch kurz zuvor der Detektiv gesessen hatte.
„Alles in diesem Haus ist schrecklich“, sagte sie nun,
„inklusive dem Leben, das ich hier führe.“
„Weshalb gehen Sie nicht?“ fragte Dess
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