Brennende Hunde
Ekstase. Monroe,
die Band und die Menge verschmolzen in einem geheiligten Ritus, der das
individuelle Bewußtsein negierte und etwas Größeres gebar. Alles flutete
ineinander, war wieder eins: das Universum, ehe der Urknall dessen Makellosigkeit
für alle Zeiten zerstörte; eine Heimkehr zu Gott, der sich aus einem Ozean
kosmischer Energie wiedererschuf. Raum und Zeit existierten nicht mehr. Hatten
nie existiert. Würden nie existieren.
Im linken Bühnenaufgang stand Dess, von einem der
riesigen Verstärkertürme verdeckt, und beobachtete mit einem Fernglas das
Geschehen unmittelbar vor der Bühne. Er war beeindruckt von diesem Konzert, von
den Zuschauern, die scheinbar zu einem einzigen Körper verschmolzen, des
Gedankens an ihre Individualität wie durch einen Zauber beraubt – betäubt von
der Sehnsucht, sich mittels Sound und Rhythmus in ein Nichts aufzulösen, nur
noch als eine spirituelle Verdickung ihrer kollektivierten Seelen
fortzubestehen. Auch er selbst vermochte sich dem Zauber kaum zu entziehen,
spürte die Veränderung, die in ihm vorging, in die er hineinsackte wie in ein
weiches Lager aus wärmendem Schnee. Wieviel Zeit war seit dem Beginn des
Konzertes vergangen? Dess wußte es nicht. Sein Blick fiel auf seine Armbanduhr,
dann spürte er es. Es näherte sich, war aber noch nicht zu bestimmen. Der schwache
Impuls seines Instinktes, der ihn aufhorchen ließ.
„Looney, hören Sie mich?“ rief Dess in sein Headphone.
„Ich hör’ Sie. Alles in Ordnung bei Ihnen?“ antwortete
die Stimme des Captains.
„Ganz und gar nicht. Irgend etwas geschieht, aber ich
kann noch nicht sagen, was. Aber ich spüre es deutlich.“
„Was soll das heißen: Sie spüren es deutlich? Haben Sie’s
nicht ein bißchen konkreter?“
In diesem Augenblick wendete Dess’ seinen Blick dem
Himmel über dem Stadion zu. Ein einmotoriges Sportflugzeug näherte sich.
„Dess, sind Sie noch dran?“ dröhnte Looneys Stimme über
das Headset.
„Captain, erinnern Sie sich an den 11. September?“
erwiderte Dess. „Hier wird gleich ganz genau dasselbe geschehen!“
Dess rannte los, so schnell sein massiger Körper es
zuließ. Monroe stand soeben hinter einer Art Kanzel, hinter der er sich ausnahm
wie Hitler bei einem Nazi-Parteitag in Nürnberg, eine Wirkung, die durchaus beabsichtigt
war. Zu provozieren gehörte für Monroe zur Show. Jetzt aber erschien Dess
hinter ihm und zerrte ihn weg. Monroe wehrte sich, befand sich in Trance und
begriff nicht, was da plötzlich geschah.
Als erstes merkte der Mann am Keyboard, dann auch die
anderen Musiker auf. Sie sahen Dess gestikulieren; irgend etwas versuchte er
ihnen zuzurufen, doch es war bei dem Lärm der Musik nicht zu verstehen. Dann
folgten ihre Blicke seinem ausgestreckten Arm, sie hörten auf zu spielen,
abrupt erstarb die Musik. Ein seltsamer, dumpfer Laut erhob sich aus dem
Zuschauerwesen, das plötzlich in seine Einzelkreaturen zerfiel. Für den
Bruchteil einer Sekunde folgte Stille, war das Brummen eines Flugzeugs zu
hören. Eines Flugzeugs, das sich im Sinkflug befand und in einem spitzen Winkel
auf die Bühne zuraste.
Ein Aufschrei aus -zigtausend Kehlen stieg auf. Eine Woge
erfaßte die Menge, die aus dem Innenraum drängte. Raum, Zeit und Tod kehrten zurück,
zeichneten den Ausdruck von Panik auf die Gesichter. Dess riß Monroe in den
Bereich hinter die Bühne, zerrte ihn in Richtung Garderobe davon. Neben sich
erkannte er Buck und den Gitarristen der Band, von draußen brandete das Geräusch
der fliehenden Menge.
Capt. Looney vor der Monitorwand hatte zu schreien
begonnen, doch die Worte waren nicht zu verstehen. Fassungslos schaute er zu,
wie die einmotorige Maschine in die Bühnenkulisse einschlug und unter der Wucht
des Aufschlags zerbarst. Vor der Bühne wurden Menschen von Splittern und
Maschinenteilen getroffen, eine Explosion erfolgte, aus den Trümmern stieg ein
Feuerball auf. Lt. Malvick und Corwell wurden von der Druckwelle zu Boden gerissen.
Noch ehe Malvick wieder auf die Beine gelangte, traf ihn ein Metallstück der
Maschine am Kopf. Die Welt existierte nicht mehr, zumindest nicht mehr für ihn.
***
Wie eine große, glühende Orange hing die Sonne am Himmel
über L.A., jagte ihre Strahlen in die ausgedörrten Rasenflächen und machte die
Menschen gereizt. Dess hockte im Sadie’s, tarierte seinen Körper auf dem
Barhocker aus und schüttete sich den Inhalt einer kleinen Tüte Glaubersalz in
seinen Drink. Ein Mann konnte vieles ertragen,
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